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Öffnungsrecht

Aus Historisches Lexikon Bayerns

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Ein typischer Öffnungsvertrag: Herzog Heinrich der Reiche von Bayern Landshut (reg. 1393-1450) bestellt Graf Johann von Abensberg als Rat und Diener. Die Bestallung ist an bestimmte Bedingungen geknüpft, darunter auch die Öffnung aller seiner Burgen (Schlösser) (5. Zeile, Mitte). (BayHStA Pfalz-Neuburg Bestallungen 1428 IX 29)
Transkription des obigen Öffnungsvertrags. (Dr. Christoph Bachmann)

von Christoph Bachmann

Recht eines Öffnungsinhabers, die Burg eines Dritten als Stützpunkt für eigene Truppen zu benützen. Dieses Recht war im Regelfall urkundlich gesichert. Öffnungsverträge sind seit dem 11. Jahrhundert nachweisbar. Seine Blüte erlebte das Öffnungsrecht im 14. und 15. Jahrhundert. Offenhäuser hatten eine wichtige Funktion bei militärischen Auseinandersetzungen und für die Landfriedenssicherung. Zahlreiche Öffnungsverträge sind aus dem Herzogtum Bayern bekannt. Auch die Reichsstadt Nürnberg sicherte sich systematisch Öffnungsrechte. Auch andere Territorien, darunter Hochstifte, bedienten sich dieses Rechtsinstituts, doch mangelt es hierzu an Forschungen.

Das Öffnungsrecht ("ius aperturae") an Burgen im Herzogtum Bayern

Definition

Das Öffnungsrecht an Burgen bedeutet die Pflicht eines Öffners (Inhabers einer Burg), die Truppen des Öffnungsinhabers (Lehenherr, Territorialherr, Schirmherr) unentgeltlich in seiner Burg aufzunehmen. Der Öffnungsinhaber hatte damit das Recht, die Besatzung einer geöffneten Burg durch seine eigenen Truppen zu verstärken. Vorläufer dieses Rechts lassen sich seit dem Ende des 11. Jahrhunderts nachweisen. Seine volle Ausprägung und weiteste Verbreitung erlangte das Öffnungsrecht jedoch erst im 13. und 14. Jahrhundert.

Öffnungsrecht und Lehenswesen

Die Burgöffnung ist eine Sonderregelung, die ursprünglich fast immer nur in Verbindung mit dem ligischen Lehenswesen nachzuweisen ist. Die Ligesse, eine aus Frankreich stammende Form des Lehensrechts, und das Öffnungsrecht waren so eng miteinander verflochten, dass man lange Zeit die Wurzeln des Öffnungsrechts im ligischen Lehenswesen suchte. Die neuere Forschung glaubt jedoch an den eigenständigen Charakter des Öffnungsrechts; allerdings konnte bisher noch kein abschließendes Ergebnis erreicht werden.

Rechte und Pflichten des Öffnungsinhabers

Die Besatzung des Öffnungsinhabers, die auf einer geöffneten Burg eingesetzt wurde, konnte nicht nur zur Verteidigung, sondern auch zu anderen Diensten innerhalb der Burg herangezogen werden. Da die Burgen nur kleine Besatzungen besaßen - die ständige Besatzung in den Burgen dürfte selbst im 15. Jahrhundert nicht mehr als zehn bis zwölf Mann betragen haben -, war das Öffnungsrecht in erster Linie ein militärisches Mittel zur Sicherung der Burgen und damit des von der Burg beherrschten Raumes.

Die Burg konnte vom Öffnungsinhaber in Kriegszeiten jederzeit in Anspruch genommen werden. Da dieser jedoch in der Regel nicht in eigener Person Einlass begehrte, wurde die Öffnung auch autorisierten Personen gewährt. Der Anspruch auf Öffnung einer Burg musste entweder mit beglaubigten Urkunden oder mit einem Losungswort nachgewiesen werden. Teilweise bestand aber auch die Verpflichtung, den Öffner schriftlich oder durch einen bevollmächtigten Vertreter des Herzogs zu unterrichten, wann und für wen die Öffnung gelten sollte.

Die Zahl der Personen, die aufgenommen werden musste, war nicht beschränkt; sie dürfte sich aber nach den örtlichen Gegebenheiten und den Versorgungsmöglichkeiten gerichtet haben. Die Verköstigung der Mannschaft musste der Öffnungsinhaber selbst übernehmen. Ferner war es selbstverständlich, dass die herzoglichen Truppen ihre eigenen Waffen, wie Büchsen, Pulver, Armbrüste und Pfeile, mitbringen mussten. Die Befehlsgewalt über die geöffnete Burg lag allem Anschein nach beim Hauptmann des Öffnungsinhabers. Nach Beendigung der Kampfhandlungen mussten die Besatzungstruppen wieder abziehen. Sollte die geöffnete Burg während der Kampfhandlungen beschädigt worden sein, so war der Schaden zu ersetzen. Die Schätzung des Schadens wurde in Altbayern von herzoglichen Räten vorgenommen, die in diesem Fall als Gutachter fungierten. Sie setzten die Höhe der Schadenssumme fest.

Anlässe für den Abschluss von Öffnungsverträgen

Bei Fremdburgen

Ganz freiwillig und ohne jeden Druck scheint kein Burgherr daran gedacht zu haben, seine Burg zu einem Offenhaus zu machen. Augenscheinlich stand meist ein gewisser wirtschaftlicher Druck hinter derartigen Verträgen, vornehmlich dringende Geldnöte. Aus diesem Grund wurde das Öffnungsrecht entweder für einen befristeten Zeitraum verkauft oder der Burgeigner stellte sich unter Schutz und Schirm des Landesherrn und gewährte im Gegenzug die Öffnung seiner Burg. Ferner konnten auch die Dienstbestallungen von Adeligen zum "Diener von Haus aus" für einen genau festgelegten Zeitraum die Verpflichtung zur Öffnung einer Burg gegen ein Entgelt enthalten; zusätzlich zur Öffnung war hierbei noch eine gewisse Anzahl von Raisigen zu stellen. Derartige Verpflichtungen sind vor allem aus dem 15. Jahrhundert überliefert.

Zahlreiche Öffnungsrechte bei Fremdburgen wurden jedoch unter mehr oder weniger starkem politischen bzw. militärischen Druck erworben. Das war vor allem bei Fehden der Fall, in welchen der Landesherr die Oberhand behielt und als Urfehdeleistung die Öffnung der Burg(en), von der/denen die Fehde ausgegangen war(en), verlangte.

Bei Lehenburgen

Hier behielt sich der Lehensherr als zusätzliche Leistung des Lehensmannes die Öffnung der Burg vor. Die Pflicht des Vasallen zur Öffnung einer Burg fiel in die Kategorie der Vorbehaltsrechte. Relativ häufig findet sich auch die Variante, dass eine freie Eigenburg zu Lehen aufgetragen und als Mannlehen mit Öffnungspflicht wieder empfangen wurde.

Bei Eigenburgen des Herzogs

Hier sind Öffnungsrechte nur durch Verpfändungen oder Verkäufe zu Leibgeding zustande gekommen. Die Burgen, die auf diese Weise verpfändet oder verkauft wurden, boten weiterhin die Möglichkeit, sie zur inneren Konsolidierung der Territorialherrschaft und zur Absicherung nach außen einzusetzen. Gleichzeitig schränkte die Gewährung der Öffnung die Verfügungsgewalt des Pfandinhabers oder Käufers über das Pfandobjekt ein. Im bayerischen Raum lassen sich viele Gläubiger obendrein in hohen und höchsten Verwaltungspositionen (Rat, Pfleger, Inhaber von Hofämtern) nachweisen. Der Grund für den sichtbaren Zusammenhang zwischen Beamtentum, der Gewährung von Krediten und dem Öffnungsrecht liegt sicherlich in der Schaffung von Abhängigkeiten. Der Kredit, an dessen Rückzahlung die Gläubiger interessiert waren, band den Gönner ebenso an den Öffnungsinhaber wie sein Beamtenverhältnis. So wurde, zumindest in Altbayern, das Delikt der Öffnungsverweigerung von keinem Pfandinhaber begangen, der zugleich auch herzoglicher Beamter war.

Anwendungsmöglichkeiten

Täglicher Krieg

Die Offenhäuser fanden ihre überwiegend militärische Anwendung im "täglichen Krieg". Der tägliche Krieg war ein Vernichtungskrieg, der mit einer kleinen, berittenen und daher hochmobilen Mannschaft vor allem im Winter in Grenzgebieten geführt wurde. Ziel war es, die wirtschaftlichen Grundlagen des Gegners zu vernichten. Kennzeichnend waren kurzfristige Ausfälle aus befestigten Burgen oder Städten. Für diese Art der Kriegführung waren die Offenhäuser ideal geeignet, da sie als Stützpunkte dienten, in denen die Truppen Schutz suchen, sich erholen und gegen ein geringes Entgelt verpflegen konnten. Für derartige Kleinkriege wurde oft ein ganzes Netz von Öffnungsrechten in den betreffenden Gebieten erworben oder mit Verbündeten vereinbart, so dass sich die Zahl der möglichen Stützpunkte stark vermehrte.

Landfriedenssicherung

Sinn und Zweck der Landfriedenssicherung - ursprünglich eine Aufgabe der höchsten Reichsgewalt - war die Eindämmung der ritterlichen Fehde. Zu diesem Zweck vernetzten sich die bayerischen Herzöge der Teilherzogtümer nicht nur untereinander, sondern auch mit den politischen Nachbarn. Die Offenhäuser dienten dabei der grenzüberschreitenden Verfolgung von Fehdeführern und Landfriedensbrechern. Derartige Inanspruchnahmen von Offenhäusern benachbarter regierender Fürsten waren meist schriftlich anzukündigen, führten aber nicht immer zur vertraglich zugesicherten Öffnung der Burgen.

Trotz der gelegentlichen Rückschläge war das Öffnungsrecht bei der grenzüberschreitenden Verfolgung von Landfriedensbrechern und der inneren Landesbefriedung nicht unerheblich, wie die zahlreichen und immer wieder erneut abgeschlossenen diesbezüglichen Verträge belegen.

Der Niedergang des Öffnungsrechts

Im 14. und 15. Jahrhundert erlebte das Öffnungsrecht seine Blütezeit. Im 16. Jahrhundert kam es allmählich ganz außer Gebrauch. Dieser Niedergang ging mit der Bedeutungsminderung der Burgen angesichts militärtechnischer Innovationen einher. Im 16. Jahrhundert lebte das Öffnungsrecht im Verlauf einiger kriegerischer Auseinandersetzungen nochmals auf. In Altbayern gelangte es letztmalig 1604 in der Form eines politischen Druckmittels des Herzogs gegen die Grafen von Ortenburg zum Einsatz; in Württemberg erscheint es sogar noch im Jahr 1724 bei der Verlehnung von Heimsheim, wobei hier das Öffnungsrecht nur mehr als Verbrämung im Rahmen eines betont altertümlich gestalteten, 10 Tage dauernden Übergabezeremoniells zu sehen ist.

Spezielle Ausformungen und Abwandlungen

Reichsstadt Nürnberg

In der Reichsstadt Nürnberg erfuhr das Öffnungsrecht seit der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts als Mittel der Territorial- und Verteidigungspolitik eine spezielle Ausformung. Hier trat der Innere Rat der Reichsstadt als Öffnungsinhaber auf, wobei das Öffnungsrecht nicht nur an Burgen, sondern auch an Bauern- oder Weiherhäusern (= Bezeichnung für durch Reichsministerialen und später durch Nürnberger Bürger im Umland der Stadt errichtete Burgen und Schlösser) beansprucht wurde. Vor allem in Bezug auf seine bürgerliche Eigenherren versuchte der Innere Rat, dieses Recht zu erlangen, das häufig mit einem Vorkaufsrecht zugunsten des Rats verbunden war. Den Abschluss bildete 1516 ein Ratsverlass, der festlegte, dass alle Burgen im Umkreis von zwei Meilen sowie im Reichswald Offenhäuser der Reichsstadt zu sein hatten und nur an Nürnberger Bürger verkauft werden dürften.

Gewartungs- und Dienstverträge

Die Form der Gewartungsverträge lässt sich etwa seit dem Ende des 13. Jahrhunderts überwiegend in Franken und hier vor allem konzentriert auf das Hochstift Bamberg nachweisen. Sie beinhaltete die Pflicht des Burginhabers mit seiner eigenen Burg und seiner eigenen Besatzung dem Gewartungsinhaber Verteidigungsdienste zu leisten, wobei diese stets mit Geld oder Burglehen abgegolten wurden. Die häufig in diesem Zusammenhang abgeschlossenen Dienstverträge beinhalteten die Pflicht, eine genau bestimmte Mannschaft auf die Kriegszüge des Dienstherren zu senden. Dieser Dienst musste ebenfalls mit einer entsprechenden Geldsumme gekauft werden.

Hochstiftische Öffnungsrechte

Über den Einsatz des Öffnungsrechts als Mittel für die Territorialisierung bei den altbayerischen und fränkischen Hochstiften ist praktisch nichts bekannt. Anwendung fand das Öffnungsrecht zwar im Hochstift Bamberg und im Hochstift Passau, jedoch ohne dass hierzu nähere Angaben gemacht werden könnten.

Literatur

  • Christoph Bachmann, Öffnungsrecht und herzogliche Burgenpolitik in Bayern im späten Mittelalter (Schriftenreihe zur bayerischen Landesgeschichte 106), München 1997.
  • Walter Bauernfeind, Offenhäuser, in: Stadtlexikon Nürnberg (2000), 777.
  • Wolf-Rüdiger Berns, Burgenpolitik und Herrschaft des Erzbischofs Balduin von Trier (Vorträge und Forschungen, Sonderband 27), Sigmaringen 1980.
  • Horst Wolfgang Böhme/Reinhard Friedrich/Barbara Schock-Werner (Hg.), Wörterbuch der Burgen, Schlösser und Festungen, Stuttgart 2004.
  • Heinz Dopsch, Burgenbau und Burgenpolitik des Erzstiftes Salzburg im Mittelalter, in: Hans Patze (Hg.), Die Burgen im deutschen Sprachraum. 2. Band (Vorträge und Forschungen 19/2), Sigmaringen 1. Auflage 1976, 387-417.
  • Rudolf Endres, Zur Burgenverfassung in Franken, in: Hans Patze (Hg.), Die Burgen im deutschen Sprachraum. 2. Band (Vorträge und Forschungen 19/2), Sigmaringen 1. Auflage 1976, 293-329.
  • Friedrich Hillebrand, Das Öffnungsrecht bei Burgen. Seine Anfänge und seine Entwicklung in den Territorien des 13.-16. Jahrhunderts unter besonderer Berücksichtigung Württembergs, Tübingen 1967.
  • Sebastian Parzer, Die Burgenpolitik der Pfalzgrafen bei Rhein, in: Zeitschrift für die Geschichte des Oberrheins 153 (2005), 221-240.
  • Hans Patze, Die Burgen in Verfassung und Recht des deutschen Sprachraumes, in: ders. (Hg.), Die Burgen im Deutschen Sprachraum. 2. Band (Vorträge und Forschungen 19/2), Sigmaringen 1. Auflage 1976, 421-441.
  • Carl Pöhlmann, Das ligische Lehensverhältnis (Heidelberger Rechtswissenschaftliche Abhandlungen 13), Heidelberg 1931.
  • Wilhelm Schwemmer, Alt-Nürnberger Herrensitze, des Rates wehrhafte Offenhäuser, München 1979.
  • Karl-Heinz Spieß, Das Lehnswesen in Deutschland im hohen und späten Mittelalter (Historisches Seminar Neue Folge 13), Idstein 2002.
  • Thomas Steinmetz, Neues zu den Maintalburgen Ravensburg, Falkenberg und Neuenburg: Burgenbau und Burgenpolitik im Widerstreit der Reichslandpolitik mit dem Hochstift Würzburg, in: Mainfränkisches Jahrbuch für Geschichte und Kunst 57 (2005), 45-62.
  • Eduard Wippermann, Feudum castri et aperturae (Kleine Schriften juristischen und rechtshistorischen Inhalts. 3. Heft: Lehn- und Fideicommißrechtliches), Wiesbaden 1873.
  • Joachim Zeune, Burgen und Burgenpolitik des Bistums Bamberg, in: Luitgar Göller u. a. (Hg.), 1000 Jahre Bistum Bamberg 1007-2007. Unterm Sternenmantel. Katalog der Jubiläumsausstellung, Petersberg 2007, 134-141.

Quellen

Weiterführende Recherche

Externe Links

Verwandte Artikel

Öffnung, ius aperturae, Offenhäuser

Empfohlene Zitierweise

Christoph Bachmann, Öffnungsrecht, publiziert am 15.09.2009; in: Historisches Lexikon Bayerns, URL: <http://www.historisches-lexikon-bayerns.de/Lexikon/Öffnungsrecht> (20.04.2024)