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Gutehoffnungshütte (GHH)

Aus Historisches Lexikon Bayerns

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Das Logo der Gutehoffnungshütte von 1908. (Historisches Archiv MAN Augsburg)
Ansicht der Hütte Gute Hoffnung von 1902. (Historisches Archiv MAN Augsburg)
Paul Reusch (1868-1956), Generaldirektor der Gutehoffnungshütte. Aufnahme von 1896. (Historisches Archiv MAN Augsburg)

von Gerhard Hetzer

Eines der größten deutschen Montan- und Maschinenbau-Unternehmen des 20. Jahrhunderts. Die Gutehoffnungshütte wandelte sich in mehreren Phasen, vor allem unter Generaldirektor Paul Reusch (1868-1956), von einem im Ruhrgebiet tätigen Berg- und Hüttenbetrieb zu einem Mischkonzern mit rund 250 nationalen und internationalen Beteiligungen. Dabei erregte die Übernahme der Maschinenfabrik Augsburg-Nürnberg (MAN) 1920/21 großes Aufsehen und wurde als Einbruch der Ruhrmagnaten in Süddeutschland gesehen. Über Beteiligungen gewann die Gutehoffnungshütte auch Einfluss auf die Presselandschaft. 1986 ging die GHH in der umgegründeten Maschinenfabrik Augsburg-Nürnberg (MAN) Aktiengesellschaft mit Sitz in München auf.

Von der Urproduktion zu Verarbeitung und Vertrieb

Die Wurzeln der Gutehoffnungshütte führen zu verschiedenen, im 18. Jahrhundert gegründeten Eisenhütten im Ruhr-Emscher-Gebiet zurück. Diese Betriebe wurden 1810 zur Hüttengewerkschaft und Handlung Jacobi, Haniel & Huyssen vereinigt. Damit begann die bis in die 1960er Jahre reichende Dominanz von Angehörigen der Familie Haniel bei den Geschäftsanteilen des Unternehmens, das ab 1873 als "Gutehoffnungshütte Actienverein für Bergbau und Hüttenbetrieb" mit Sitz in Sterkrade (seit 1929 ein Stadtteil von Oberhausen/Ruhrgebiet) firmierte. In dem nahe der preußisch-kurkölnischen Grenze gelegenen Sterkrade war seit 1782 die Hütte "Gute Hoffnung" betrieben worden, die nun für das Gesamtunternehmen namengebend wurde.

Der Aufstieg der Gutehoffnungshütte verbindet sich vor allem mit den Namen der Generaldirektoren Paul Reusch (1868-1956) und - dessen Sohn - Hermann Reusch (1896-1971), die den vertikalen Konzern seit 1905 in nur kurz unterbrochener Generationenfolge aufbauten und umstrukturierten. Unter Paul Reusch trat das Unternehmen über das rheinisch-westfälische Industriegebiet hinaus. Hierzu gehörten Erwerbungen und Neugründungen in Norddeutschland sowie im internationalen Handelsbereich. Ein wichtiges Zielgebiet war auch Süddeutschland.

Die Gutehoffnungshütte in Bayern

Großgasmaschine in der Gutehoffnungshütte in Oberhausen, 1936. (Historisches Archiv MAN Augsburg)

Mit maßgeblichen Beteiligungen an Betrieben in Nürnberg (Eisenwerk Tafel, Fritz Neumayer AG), Augsburg (Zahnräderfabrik vorm. Joh. Renk) und Eßlingen in den Jahren 1919 bis 1923 errichtete das Unternehmen Stützpunkte in der süddeutschen Verarbeitungsindustrie, die von Tochtergesellschaften im Verhüttungs- (Wasseralfingen) und Werft-Bereich (Deggendorf) flankiert wurden. Kernstück der Erwerbungen war aber die Aktienmehrheit an der Maschinenfabrik Augsburg-Nürnberg AG (MAN) 1920/21 gegen starke Mitbewerber. Die Aufsehen erregende Eingliederung, die gegen den Willen wichtiger Führungskräfte der MAN erfolgte, wurde in Teilen der Öffentlichkeit als Einbruch von Ruhrmagnaten in eine süddeutsch-bayerische Unternehmenskultur und damit als Parallele zum Verlust föderaler Elemente in der neuen Reichsverfassung gesehen. Der schrittweise Erwerb der Mehrheit der MAN-Aktien durch die GHH mündete Ende 1921 in einer heftigen Pressepolemik: "Die industrielle Mainlinie" sei überschritten.

1923 wurde als Dachgesellschaft für die Konzernbetriebe der "Gutehoffnungshütte, Aktienverein für Bergbau und Hüttenbetriebe" geschaffen (Sitz: Nürnberg), während als Produktionsgesellschaft die neue "Gutehoffnungshütte Oberhausen Aktiengesellschaft" (Sitz: Oberhausen) entstand (Bezeichnungen ab 1953, nach der seit 1947 durchgeführten Entflechtung der GHH-Betriebe: Gutehoffnungshütte-Aktienverein bzw. Gutehoffnungshütte Sterkrade Aktiengesellschaft).

In den 1920er Jahren wurde der aus Württemberg stammende Paul Reusch zu einem der mächtigsten deutschen Industriekapitäne. Er war ein früher Förderer des Deutschen Museums in München, dessen Ausschuss und Vorstandsrat er seit 1911 bzw. 1915 angehörte. Er gab auch das 1930 nach heftigen Auseinandersetzungen vor dem Museum aufgestellte Bismarck-Denkmal in Auftrag. Über Beteiligungen der Familienaktionäre im Verlagswesen und die Präsenz in der Münchner Gesellschaft "Gäa" hatte die Gutehoffnungshütte Einfluss in der süddeutschen Presse (v. a. Münchner Neueste Nachrichten, Fränkischer Kurier, Verlag Knorr&Hirth, Süddeutsche Monatshefte), was Reusch 1932 - erfolglos - zugunsten einer Einbindung samt Zähmung der NSDAP in eine rechtsgerichtete, wirtschaftsfreundliche Reichsregierung nützen wollte.

Politisch stand Reusch in der Tradition des rechten Flügels der Nationalliberalen des Kaiserreiches, pflegte in der Weimarer Zeit eine grundsätzliche Distanz zur Parteipolitik, unterhielt allerdings Kontakte zu verschiedenen Denkern der "Konservativen Revolution" (Oswald Spengler [1880-1936], Edgar Jung [1894-1934]). Von der NSDAP befürchtete er seit den frühen 1920er Jahren wirtschafts- und sozialpolitisches Abenteurertum. Seit 1933 suchte er die Interessen seines Unternehmens auch unter den neuen Rahmenbedingungen zu wahren, dabei aber deutlichere Bekenntnisse zu meiden.

Schwerpunktverlagerung nach 1945

Ein Axialkompressor der Gutehoffnungshütte von 1953. (Historisches Archiv MAN Augsburg)

1942 trat Paul Reusch nach konzerninternen Konflikten auf Druck des Sicherheitsdienstes (SD) des Reichsführers SS zurück. Sein Sohn Hermann amtierte von 1947 (kommissarisch seit 1945) bis 1966 als Vorstandsvorsitzender und machte sich als streitbarer Interessenvertreter der Industrie (u. a. gegen die Mitbestimmung der Gewerkschaften) einen Namen. Die GHH-Grundstoffbetriebe (Bergbau und Hüttenbetriebe im Ruhrgebiet) wurden durch die 1946 errichtete Treuhandverwaltung bis 1952 als neue Unternehmen im Zuge der Entflechtung aus dem Konzern gelöst.

Dies förderte die Konzentration der verbliebenen Bereiche auf den Anlagenbau (u. a. Schiffe, Brücken, Großgetriebe) und den Handel. Die Gutehoffnungshütte entwickelte sich zum größten bundesdeutschen Maschinenbau-Unternehmen. Daneben wurde der Nutzfahrzeugbau vorangetrieben (1955 Gründung des entsprechenden MAN-Werks in München, zahlreiche Übernahmen nach 1970, auch in Österreich, der Schweiz, Dänemark, England und Polen). Bereits in den 1960er Jahren wurden konzernintern Werke nach verwandten Produktpaletten zusammengelegt.

Das Logo der Gutehoffnungshütte und MAN 1986. (Historisches Archiv MAN Augsburg)

1986 erfolgte unter wesentlichem Einfluss der Münchner Allianz-Versicherung der Schritt zum Vertragskonzern, der sich unter dem Namen MAN AG in einzelne Aktiengesellschaften mit eigener betriebswirtschaftlicher Verantwortung gliedert. Der Firmensitz wurde von Oberhausen nach München verlegt. Wichtigste Produktionsstandorte in der Bundesrepublik sind heute München, Salzgitter, Augsburg, Oberhausen und Essen. Erinnerungen an die Gutehoffnungshütte bestehen noch in Namensteilen einiger Nachfolgegesellschaften in Oberhausen.

Beschäftigtenzahlen
Jahr Anzahl Bemerkung
1873 8.300
1905 19.500
1923 80.500
1938 ca. 80.000
1953 knapp 53.000
1982 80.000 davon ca. 60.000 bei MAN
1990 67.000 nun MAN
2007 55.000 MAN (33.000 im Inland)

Literatur

  • Gerhard Bader, Wer vorausschauen will, muss Rückschau halten können. Industrie- und Zeitgeschichte am Beispiel der Gutehoffnungshütte (GHH), sowie des Werkes Königsbronn, der Schwäbischen Hüttenwerke (SHW), Gräfenberg 2001.
  • Johannes Bähr/Ralf Banken/Thomas Flemming, Die MAN. Eine deutsche Industriegeschichte. München 2008.
  • Fritz Büchner, Hundertfünfundzwanzig Jahre Geschichte der Gutehoffnungshütte, Oberhausen 1935.
  • Gutehoffnungshütte in zwei Jahrhunderten. Im Jubiläumsjahr 1958, Oberhausen 1958.
  • Bodo Herzog, Paul Reusch und das Deutsche Museum. Zum 100. Geburtstag von Paul Reusch, in: Deutsches Museum. Abhandlungen und Berichte 35/3 (1967), 5-37.
  • Gerhard Hetzer, Unternehmer in Umbruchszeiten. Paul und Hermann Reusch, in: Paul Hoser (Hg.), Kriegsende und Neubeginn. Die Besatzungszeit im schwäbisch-alemannischen Raum (Forum Suevicum 5), Konstanz 2003, 463-496.
  • Hans-Josef Joest, Pionier im Ruhrrevier. Gutehoffnungshütte - Vom ältesten Montan-Unternehmen Deutschlands zum größten Maschinenbau-Konzern Europas, Stuttgart 1982.
  • Peter Langer, Paul Reusch und die "Machtergreifung", in: Mitteilungsblatt des Instituts für Soziale Bewegungen 28 (2003), 157-201.
  • Peter Langer, Macht und Verantwortung. Der Ruhrbaron Paul Reusch, Essen 2012.
  • Christian Marx, Paul Reusch und die Gutehoffnungshütte. Leitung eines deutschen Großunternehmens (Moderne Zeit. Neue Forschungen zur Gesellschafts- und Kulturgeschichte des 19. und 20. Jahrhunderts), Göttingen 2011.
  • Erich Maschke, Es entsteht ein Konzern: Paul Reusch und die GHH, Tübingen 1969.

Weiterführende Recherche

Externe Links

Verwandte Artikel

MAN AG

Empfohlene Zitierweise

Gerhard Hetzer, Gutehoffnungshütte (GHH), publiziert am 16.06.2008; in: Historisches Lexikon Bayerns, URL: <http://www.historisches-lexikon-bayerns.de/Lexikon/Gutehoffnungshütte (GHH)> (28.03.2024)