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Deutsche Bauernschaft, 1927-1933

Aus Historisches Lexikon Bayerns

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Anton Fehr (1881-1954), Mitglied des Bauernbundes, Staatsminister für Landwirtschaft 1924-1930. Reproduktion einer Fotografie um 1930. (Bayerische Staatsbibliothek, port-011897)

von Oliver Braun

Zusammenschluss von agrarischen Interessenverbänden, gegründet am 7. April 1927 während der Agrarkrise. Unter dem Vorsitz des Bayerischen Landwirtschaftsministers Anton Fehr (1881-1954) vertrat die Deutsche Bauernschaft eine klein- und mittelbäuerliche Interessenpolitik und trat 1928 bei den Reichtstagswahlen mit einer eigenen Liste an. Die Organisation löste sich am 11. Juli 1933 selbst auf.

Vorgeschichte und Gründung, Führungspersonal

Heinrich Lübke (1894-1972). Porträtfoto aus dem Jahr 1959. (Foto vom Bundesarchiv lizenziert durch CC BY-SA 3.0 DE via Wikimedia Commons, Signatur: Bild 146-1994-034-22A)

Die Deutsche Bauernschaft wurde am 7. April 1927 in Berlin durch die Gesamtvorstände des Reichsverbandes landwirtschaftlicher Klein- und Mittelbetriebe, des DDP-nahen Deutschen Bauernbundes sowie des Bayerischen Bauernbundes (BB) ins Leben gerufen. Diese drei Verbände waren bereits seit 1925 in einer Arbeitsgemeinschaft institutionell verbunden gewesen. Ursache für diese Neugründung einer einheitlichen agrarischen Interessenvertretung war vor allem die akute Agrarkrise von 1927/28. Erster Vorsitzender der Bauernschaft wurde im Jahre 1927/28 der Reichstagsabgeordnete (Bayerischer Bauernbund, 1920-1933) und Bayerische Landwirtschaftsminister (1924-1930) Anton Fehr (1881-1954). Geschäftsführer war bis zur Auflösung 1933 der spätere Bundespräsident Heinrich Lübke (1894-1972).

Organisations- und Mitgliederstruktur, politische Ausrichtung

Die Deutsche Bauernschaft war ein sehr heterogener Zusammenschluss von institutionell und organisatorisch eigenständigen regionalen agrarischen Interessenverbänden aus dem ganzen Reichsgebiet. Die wahrscheinliche – aber nicht verifizierbare – Mitgliederzahl lag in der Größenordnung von 100.000. Parteipolitisch neutral und mit einem eindeutigen Bekenntnis zur demokratischen Weimarer Verfassungsordnung, vertrat die Deutsche Bauernschaft eine klein- und mittelbäuerliche Interessenpolitik und befand sich somit in politischem Gegensatz zum großagrarischen Reichs-Landbund, aber auch zu den Christlichen Bauernvereinen, die der Deutschen Bauernschaft bodenreformerischen Radikalismus und zum Teil sozialistische Tendenzen attestierten.

Parlamentarische Vertretung

Vornehmlich auf Initiative des Bayerischen Bauernbundes (BB) trat die Deutsche Bauernschaft bei den Reichstagswahlen vom 20. Mai 1928 unter dem Namen "Deutsche Bauernpartei" mit einer eigenen Liste an. Die Mehrheit der Mitgliedsverbände lehnte diesen Schritt allerdings als Preisgabe der eigenen Überparteilichkeit nachdrücklich ab. Entsprechend stellte der Bayerische Bauernbund, der bei dieser Reichstagswahl in Bayern 11,11% der Stimmen erhielt, sieben der insgesamt acht Reichstagsmandate der Deutschen Bauernpartei; außerhalb Bayerns erreichte die neue Partei nur einen Stimmenanteil von rund 1%. Anknüpfend an die bis Februar 1928 andauernde Fraktionsgemeinschaft des Bayerischen Bauernbundes und der Reichspartei des deutschen Mittelstandes (Wirtschaftspartei), schloss sich die Deutsche Bauernpartei nach der Wahl vom Mai 1928 der Wirtschaftspartei als Hospitant an.

Mitgliedschaft in der "Grünen Front", Austritt des Bayerischen Bauernbundes aus der Deutschen Bauernschaft 1930 und Auflösung 1933

Gemeinsam mit dem Reichs-Landbund, der Vereinigung der deutschen Bauernvereine und dem Deutschen Landwirtschaftsrat gehörte die Deutsche Bauernschaft am 20. Februar 1929 zu den Gründungsmitgliedern der "Grünen Front". Wegen Differenzen über deren Kurs und deren großagrarische Prägung trat die Deutsche Bauernschaft im November 1930 aus dem Verband aus und trennte sich damit auch vom Bayerischen Bauernbund, der in der "Grünen Front" verblieb. Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten beschloss die Deutsche Bauernschaft am 11. Juli 1933 selbst ihre Auflösung.

Literatur

  • Hannsjörg Bergmann, Der Bayerische Bauernbund und der Bayerische Christliche Bauernverein 1919-1928 (Schriftenreihe zur bayerischen Landesgeschichte 81), München 1986, bes. 80-88.
  • Dieter Fricke u. a. (Hg.), Lexikon zur Parteiengeschichte. Die bürgerlichen und kleinbürgerlichen Parteien und Verbände in Deutschland (1789-1945). 4 Bände, Köln 1983-1986, hier 1. Band, 570-573. (grundlegend als Daten- und Faktengerüst, aber vom Standpunkt der marxistischen Historiographie aus verfasst)
  • Dieter Gessner, Agrarverbände in der Weimarer Republik. Wirtschaftliche und soziale Voraussetzungen agrarkonservativer Politik vor 1933, Düsseldorf 1976, bes. 101f. (kursorische Anmerkungen)
  • Rudolf Morsey, Heinrich Lübke. Eine politische Biographie, Paderborn u. a. 1996, bes. 51-56. (kursorische Informationen)
  • Arno Panzer, Parteipolitische Ansätze der deutschen Bauernbewegung bis 1933, in: Heinz Gollwitzer (Hg.), Europäische Bauernparteien im 20. Jahrhundert (Quellen und Forschungen zur Agrargeschichte 29), Stuttgart/New York 1977, 524-561, hier 533. (kursorische Erwähnung)

Weiterführende Recherche

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Deutsche Bauernpartei

Empfohlene Zitierweise

Oliver Braun, Deutsche Bauernschaft, 1927-1933, publiziert am 04.09.2006; in: Historisches Lexikon Bayerns, URL: <https://www.historisches-lexikon-bayerns.de/Lexikon/Deutsche_Bauernschaft,_1927-1933> (28.03.2024)