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Landtagspräsident

Aus Historisches Lexikon Bayerns

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Sebastian Freiherr von Schrenck-Notzing (1774-1848) war von 1819-1837 Präsident der Kammer der Abgeordneten. (Bayerische Staatsbibliothek, Bildarchiv port-026344)
Karl von Seinsheim (1784-1864), Präsident der Kammer der Abgeordneten in den Jahren 1840, 1842 und 1843. (Bayerische Staatsbibliothek, Bildarchiv port-025210)
Friedrich Graf von Hegnenberg-Dux (1810-1872), Präsident der Kammer der Abgeordneten von 1849 bis 1865. (Foto um 1860, Bayerische Staatsbibliothek, Bildarchiv port-025281)
Karl Freiherr von Ow (1818-1898), 1871/72 Präsident der Kammer der Abgeordneten. (Bayerische Staatsbibliothek, Bildarchiv port-026360)
Theobald von Fuchs (1852-1943), 1917-1918 Präsident der Kammer der Abgeordneten. Abb. aus: Das Bayerland, Jahrgang 38 vom Juli 1927, 456. (Bayerische Staatsbibliothek, 4 Z 40.173-38)
Landtagspräsident Hermann Esser (1900-1981) spricht auf der Erföffnungssitzung des Bayerischen Landtags am 28. April 1933. Nach dem "Gesetz zur Gleichschaltung der Länder mit dem Reich" vom 31. März 1933 war der Bayerische Landtag umgebildet und gleichgeschaltet worden. Am 30. Januar 1934 wurde der Landtag durch das "Gesetz über den Neuaufbau des Reichs" aufgelöst. (Bayerische Staatsbibliothek, Bildarchiv hoff-7875)

von Dirk Götschmann

Der Landtag wählt aus seiner Mitte ein Präsidium, bestehend aus einem Präsidenten, den Stellvertretern (Vizepräsidenten) und den Schriftführern (Art. 20 Abs. 1 Bayerische Verfassung 1946). Mit Unterstützung dieses Präsidiums leitet der Präsident sämtliche Geschäfte des Landtags und übt im Landtag das Hausrecht und die Polizeigewalt aus. Landtagspräsidenten gibt es in Bayern seit 1819.

Heutige Aufgaben

Der Aufgabenbereich des Landtagspräsidenten umfasst zunächst den eigentlichen Parlamentsbetrieb: Der Präsident oder einer seiner Stellvertreter leiten die Sitzungen der Vollversammlung des Landtags, wobei sie von den Schriftführern assistiert werden. Zwischen zwei Tagungen führt das Präsidium die laufenden Geschäfte des Landtags fort (Art. 20 Abs. 2 BV). Bei Rücktritt oder Tod eines Ministerpräsidenten übt der Landtagspräsident solange die Vertretung Bayerns nach außen aus, bis ein neuer Ministerpräsident gewählt ist (Art. 44 Abs. 3 BV). Protokollarisch ist der Landtagspräsident der "zweite Mann im Staat" nach dem Ministerpräsident. Zunehmend nimmt er seit den 1960er Jahren auch Repräsentationsaufgaben wahr und wirkt öffentlich, so z. B. seit 1961 bei der Verleihung der bayerischen Verfassungsmedaille. Sein Einfluss auf das politische Geschäft ist je nach Persönlichkeit des Amtsinhabers spürbar. Qua Amt ist der Landtagspräsident Vorsitzender des Verwaltungsrates des Bayerischen Rundfunks sowie Mitglied in der Konferenz der Präsidenten der deutschen Länderparlamente (gegründet 1947).

Darüber hinaus steht der Präsident an der Spitze der gesamten Landtagsverwaltung und damit an der des Landtagsamtes. Er vertritt den Staat in allen Rechtsgeschäften und Rechtsstreitigkeiten der Landtagsverwaltung und übt die Dienstaufsicht über die Angehörigen des Landtagsamtes sowie den Landesbeauftragten für den Datenschutz aus. Das Präsidium ist das Beratungs-, Kontroll- und Beschlussorgan für alle Verwaltungsangelegenheiten des Landtags; es erstellt dessen Haushaltsplan und sorgt für dessen Einhaltung. Der Präsident ernennt und befördert die Beamten des Landtags und entscheidet über die Einstellung, Entlassung und Eingruppierung aller sonstigen Mitarbeiter des Landtags.

Nominierung durch die Mehrheitsfraktion

Wegen des besonderen Vertrauens, dessen der Präsident und seine Stellvertreter im Parlament bedürfen, ist es althergebrachte parlamentarische Praxis, dass die Mehrheitsfraktion zwar den Präsidenten stellt, dabei jedoch einen Kandidaten nominiert, der auch von den anderen Fraktionen akzeptiert werden kann. Dies gilt auch für die Kandidaten für die Vizepräsidenten-Posten, bei deren Besetzung die anderen Fraktionen nach ihrer Größe berücksichtigt werden.

Historische Entwicklung

Die hiermit umrissene Stellung, die dem Präsidenten zwar wichtige Kompetenzen einräumt, ihn aber in allen Bereichen der Kontrolle des Parlaments unterstellt, nimmt der Landtagspräsident seit der Begründung des demokratischen bayerischen Staates 1918/19 ein. Zur Zeit der Monarchie, in der Praxis vor allem während der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts, war seine Position vom Grundsatz her eine vollkommen andere. Gerade in der Anfangszeit des bayerischen Parlaments bedurften die Präsidenten der Kammern weniger des Vertrauens der Parlamentarier als des Königs, denn ihre wichtigste Aufgabe war es, dafür zu sorgen, dass die Rechte des Monarchen und seiner Regierung von den Parlamentariern nicht angetastet wurden. Diese Rechte waren in der Geschäftsordnung fixiert, deren strikte Einhaltung oberste Pflicht der Präsidenten war. Erst weit dahinter rangierte ihre Funktion als Organisator und Koordinator des parlamentarischen Betriebs und Leiter der Debatten des Plenums. Die Präsidenten verfügten deshalb über eine Stellung, die sie weit über die übrigen Parlamentarier erhob und die ihnen umfassende Kompetenzen verlieh. Sie konnten wichtige Entscheidungen aus eigener Machtvollkommenheit treffen und auch gegen den mehrheitlichen Willen der Kammer durchsetzen. Es verstand sich deshalb von selbst, dass bei der Auswahl der Präsidenten und Vizepräsidenten der Wille des Königs entscheidend war. Den Präsidenten der Kammer der Reichsräte ernannte er völlig frei, den der Kammer der Abgeordneten wählte er aus sechs Kandidaten aus, die diese ihm vorschlugen.

In einem zähen Kampf schränkten die Abgeordneten die Kompetenzen ihrer Präsidenten allmählich ein. Das hatte zur Folge, dass dieser Posten für die Regierung an Bedeutung verlor, so dass sie der Abgeordnetenkammer 1850 die freie Wahl ihres Präsidiums zugestand. Seitdem näherte sich das Verhältnis von Plenum und Präsidium dem oben skizzierten Zustand an, bei dem der Präsident zwar nach wie vor große Kompetenzen besitzt, aber des Vertrauens der Abgeordneten bedarf und auch deren Kontrolle untersteht.

Übersicht über die Präsidenten der Kammer der Abgeordnten von 1818 bis 1919
Amtszeit Name Lebensdaten
1819, 1822, 1825, 1827/28, 1831, 1834 und 1837 Sebastian Freiherr von Schrenck 1774-1848
1840, 1842/43 Karl Seinsheim 1784-1864
1845/46, 1847 Hermann Freiherr von Rotenhan 1800-1858
17.-25. März 1848 Carl Friedrich Heintz 1802-1868
1848 Karl Kirchgessner 1807-1859
1849 Gustav Freiherr von Lerchenfeld 1806-1866
1849-27. März 1865 Friedrich Graf von Hegnenberg-Dux 1810-1874
1. April 1865-1869 Josef Pözl 1814-1881
1870/71 Ludwig von Weis 1813-1880
1871/72 Karl Freiherr von Ow 1818-1898
1873/75 Franz Freiherr von Stauffenberg 1834-1901
1875-1892 Karl Freiherr von Ow 1818-1898
1893-3. Dezember 1897 Johann Baptist Ritter von Walter 1831-1900
7. Dezember 1897-1899 August Ritter von Clemm 1837-1910
1899-1916 Georg Ritter von Orterer 1849-1916
31. Januar 1917-7. November 1918 Theobald Ritter von Fuchs 1852-1943
8. November 1918-4. Januar 1919 (Provosorischer Nationalrat) Franz Schmitt 1862-1932
Übersicht über die Landtagspräsidenten von 1919 bis 1933
Amtszeit Name Lebensdaten Parteizugehörigkeit
17. März 1919-18. März 1920 Franz Schmitt 1862-1932 SPD
19. März 1920-1929 Heinrich Königbauer 1876-1929 BVP
20. November 1929-1933 Georg Stang 1880-1951 BVP
1933 Hermann Esser 1900-1981 NSDAP
Übersicht über die Landtagspräsidenten seit 1946
Amtszeit Name Lebensdaten Parteizugehörigkeit
1946-1950 Michael Horlacher 1888-1957 CSU
1950-1951 Georg Stang 1880-1951 CSU
1951-1954 Alois Hundhammer 1900-1974 CSU
1954-1960 Hans Ehard 1887-1980 CSU
1960-1978 Rudolf Hanauer 1908-1992 CSU
1978-1990 Franz Heubl 1924-2001 CSU
1990-1994 Wilhelm Vorndran 1924-2012 CSU
1994-2003 Johann Böhm 1937- CSU
2003-2008 Alois Glück 1940-2024 CSU
2008-2018 Barbara Stamm 1944-2022 CSU
seit 2018 Ilse Aigner 1964- CSU

Literatur

  • Eine Darstellung zur Entwicklung des Amtes des bayerischen Landtagspräsidenten existiert bis heute nicht; die obigen Informationen basieren außer auf den genannten Quellen im Wesentlichen auf dem „Edict über die Ständeversammlung" (10. Beilage zur bayerischen Verfassung von 1818) und den Geschäftsordnungen für die Kammer der Abgeordneten aus den Jahren 1825, 1831, 1851, 1872 und 1904.
  • Hilde Balke, Die Präsidenten des Bayerischen Landtags von 1946 bis 1994, München 2001. (Portraits der Landtagspräsidenten der Nachkriegszeit)
  • Herbert Dau, 30 Jahre Konferenz der Präsidenten der deutschen Länderparlamente, in: Heinz Rosenbauer/Volkmar Gabert (Hg.), Parlamentarismus und Föderalismus. Festschrift für Rudolf Hanauer aus Anlaß seines 70. Geburtstages, München 1978, 146-152.

Quellen

Weiterführende Recherche

Externe Links

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Landtagspräsidium

Empfohlene Zitierweise

Dirk Götschmann, Landtagspräsident, publiziert am 05.12.2006; in: Historisches Lexikon Bayerns, URL: <http://www.historisches-lexikon-bayerns.de/Lexikon/Landtagspräsident> (28.03.2024)