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Biersteuer

Aus Historisches Lexikon Bayerns

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Titelblatt von "Der Malz-Aufschlag. Gesetz vom 16. Mai 1868, München 1868". (Bayerische Staatsbibliothek, Bavar. 1742)
Karrikatur "Im Hofbräuhausgarten" von 1901. Originale Bildbeschriftung: "Ham Sie's g'sehgn? Der Berliner do hint'n krieagt jetzt scho dö viert Mass!!" - "Hab's scho g'sehg'n, Herr Nachba! Aba - unta uns g'sagt - so hat's kemma müass'n! Oa Reservatrecht um's andere geht schö' langsam zum Deifl!!". Abb. aus Jugend 6 (1901), 659. (Bayerische Staatsbibliothek, 4 Per. 11 i-6,2)

von Patrick Henßler

Die seit dem Mittelalter und dem 16. Jahrhundert bestehenden Abgaben auf Bier wurden im Königreich Bayern seit 1806 in einheitlicher Form von den Brauereien erhoben. 1870 sicherte sich Bayern die lukrative Biersteuer als Reservatrecht und konnte sie bis zur Erzbergerschen Finanzreform von 1919 behaupten. Seit 1919 erhielt der Freistaat nur noch eine erheblich niedrigere Beteiligung am Biersteueraufkommen des Reichs. Die Frage der Biersteuer war daher mehrfach Streitpunkt zwischen Bayern bzw. der Bayerischen Volkspartei (BVP) und dem Reich. Seit 1949 wird die Biersteuer zwar von Bundesbehörden erhoben, ihr Aufkommen steht aber den Ländern zu.

Die Anfänge in Bayern

Die Biersteuer stellt eine der ältesten Abgaben auf Verbrauchsgüter überhaupt dar. Vorläufer war das im Herzogtum Bayern und anderen Territorien seit dem 13. und 14. Jahrhundert auf Bier und andere alkoholische Getränke erhobene "Umgeld" (bayer.: Ungeld).

Neben dem Ungeld wurden angesichts des steigenden Finanzbedarfs des frühmodernen Staats im Herzogtum Bayern ab dem 16. Jahrhundert auf alkoholische Getränke "Aufschläge" erhoben, die rasch das Ungeld an Bedeutung übertrafen. Erstmals bewilligte die altbayerische Landschaft 1542/43 derartige Aufschläge. In der Folgezeit verblieb der Landschaft bis Anfang des 19. Jahrhunderts die Verwaltung der Aufschläge, wenn auch die bayerischen Landesherren vor allem bis 1612 mehrfach Tariferhöhungen durchsetzen konnten. Berechnet wurde der Bier-Aufschlag nach dem Produktionsvolumen in Eimern (1 Eimer = ca. 64 Liter).

1806: Der Malzaufschlag

1806 wurde eine neue Erhebungsart in Bayern eingeführt, die in ihren Grundzügen als Vorbild für alle weiteren deutschen Formen der Bierbesteuerung diente. Gemäß der Aufschlagsbesteuerung vom 24. September 1806, die zunächst nur für Altbayern galt und die bisherige unterschiedliche Erhebungspraxis vereinheitlichte, 1807 jedoch auch auf die neubayerischen Landesteile ausgedehnt wurde, diente als Berechnungsgrundlage nun die zur Erzeugung des Bieres beigegebene Menge an Malz. Die staatlichen Einnahmen aus der Biersteuer, die von den Brauern abzuführen war, wurden ab 1819 in erster Linie zur Verzinsung und Tilgung der Staatsschuld verwendet. Die folgenden Jahrzehnte brachten zahlreiche Erhöhungen und inhaltliche Änderungen der Besteuerungsgrundlage mit sich.

Die Biersteuer als Reservatrecht

Bayern ließ sich, ebenso wie Württemberg und Baden, im Herbst 1870 bei Eintritt in den Norddeutschen Bund im Rahmen der Bewilligung besonderer Hoheitsrechte (Reservatrechte) die fortgesetzte alleinige Verfügung über die Erträge der Biersteuer (und Branntweinsteuer) ausdrücklich zusichern. Diese Regelung wurde bei der Gründung des Deutschen Reiches 1871 in die Reichsverfassung übernommen. Mit den ergiebigen Einnahmen aus der Besteuerung konnte Bayern einen großen Teil seines Staatshaushaltes bestreiten und gleichzeitig weiterhin die Tilgung der Staatsschulden gewährleisten.

In den folgenden Jahrzehnten nahm die Bedeutung der Biersteuer für den bayerischen Staatshaushalt immer weiter zu. 1913 belief sich der Anteil der Biersteuer an den gesamten Staatssteuern Bayerns auf 35,8 % (52,1 Mio. Mark).

Republik und Weimarer Verfassung - Das Ende des "Biersteuerreservats"

Reichsfinanzminister Matthias Erzberger (Zentrum, 1875-1921). Postkarte um 1914. (Bayerische Staatsbibliothek, Bildarchiv port-003520)

Nach dem Ende des Ersten Weltkrieges setzte sich Reichsfinanzminister Matthias Erzberger (1875-1921) für eine Finanzhoheit des Reiches ein. In Anbetracht der gewaltigen Reparationszahlungen, die die Alliierten dem Kriegsgegner auferlegt hatten, konnten aus Erzbergers Sicht die umfassenden finanziellen und wirtschaftlichen Probleme nur im Rahmen eines Einheitsstaats bewältigt werden. Folglich galt es im Rahmen einer Reichsfinanzreform gesetzliche Rahmenbedingungen zu schaffen, die einen Zugriff auf die Steuereinnahmen der Länder ermöglichten. Die Reichsfinanzreform sorgte dafür, dass der Großteil der direkten Steuern in der Folge an das Reich ging und die Länder aus den dabei erzielten Erträgen Zuteilungen im Rahmen eines Finanzausgleichs erhielten.

In diesem Zusammenhang verlor Bayern sein Reservatrecht in der Bierbesteuerung und wurde am 24. Juni 1919 auf der Basis des Reichsbiersteuergesetzes vom 26. Juli 1918 in die Biersteuergemeinschaft des Reiches einbezogen. Als Ausgleich erhielt Bayern eine Beteiligung an den Biersteuereinnahmen des Reiches. Mit einem Anteil von 13,55 %, höchstens jedoch 78 Mio. Mark, lag diese jedoch nur noch bei der Hälfte der bisherigen Einnahmen. Infolge der fortschreitenden Inflation schrumpfte auch dieser Betrag allmählich zur Bedeutungslosigkeit. Am 9. April 1927 wurde mit 45 Mio. Goldmark eine neue Höchstgrenze der Beteiligung festgesetzt. An der angespannten finanziellen Situation Bayerns änderte dies jedoch nur wenig.

Die Biersteuer und der Young-Plan 1929/30

Im Juni 1929 wurden im so genannten Young-Plan die Reparationsleistungen Deutschlands neu fixiert. Gegen die Zusicherung einer langfristigen Zahlungsverpflichtung waren die Alliierten zu einigen Zugeständnissen bereit. Eine Reform des Finanzausgleichs zwischen den Ländern und dem Reich sollte die mit dem Plan verbundenen finanziellen Lasten verteilen. Im Zuge dessen war neben einer Kürzung des Anteils der Länder an den Steuereinnahmen in zentralen Bereichen auch eine Erhöhung der Biersteuer um 50% vorgesehen.

Herrmann Müller (Politiker SPD, 1876-1931). (Bayerische Staatsbibliothek, Bildarchiv hoff-2868)

Dieses Vorhaben stieß bei der Bayerischen Volkspartei (BVP), Koalitionär in der Reichsregierung unter Hermann Müller (SPD, 1876-1931), auf Ablehnung, was in der Folge in der BVP auch zu einer zunehmend ablehnenden Haltung gegenüber dem Young-Plan führte. Zwar wurden im Reichstag die Finanzreform und die Erhöhung der Biersteuer zunächst hinten angestellt, doch bereits Ende 1929 sollte erneut über den Themenkomplex entschieden werden. Die BVP verband nun die Frage einer Zustimmung zum Young-Plan mit einer akzeptablen Lösung der umstrittenen Finanzfrage. Versuche, zu einem Kompromiss zu gelangen, scheiterten. Bei der Abstimmung über die Young-Plan-Gesetze am 12. März 1930 stimmte ein Großteil der BVP-Fraktion (11 von 17 Abgeordneten) gegen die Gesetze. Kurz darauf kam es zum Bruch der Koalitionsregierung (SPD, DDP, DVP, BVP und Zentrum).

Die Biersteuer nach 1945

Das am 24. Mai 1949 in Kraft getretene Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland wies der Biersteuer insofern eine Sonderstellung zu, als dass ihr Aufkommen grundsätzlich den Ländern zugeteilt, ihre Verwaltung aber den Bundesfinanzbehörden (Zoll) übertragen wurde. Sie ist damit die einzige Verbrauchssteuer, der dieser Status zugebilligt wurde.

Dokumente

Literatur

  • Alfons Jehle, Geschichtsbilder aus dem Bayerischen Brauwesen. Band 1: Das Bier in Bayern. Kurzgefaßte geschichtliche Darstellung des Entwicklungsganges des bayerischen Brauwesens, München 1948.
  • Heinrich Letzing, Königlich bayerisches Bier. Die Geschichte des Bieres unter der Familie der Wittelsbacher in Bayern, Augsburg 2000.
  • Josef Rheinboldt, Biersteuer, in: Max Fleischmann (Hg.), Wörterbuch des Deutschen Staats- und Verwaltungsrechts. 1. Band: A-F, München 4. Auflage 1911, 469-476.

Weiterführende Recherche

Externe Links

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Empfohlene Zitierweise

Patrick Henßler, Biersteuer, publiziert am 04.09.2007; in: Historisches Lexikon Bayerns, URL: <http://www.historisches-lexikon-bayerns.de/Lexikon/Biersteuer> (19.04.2024)