
Die Beisetzung des ermordeten Ministerpräsidenten und Revolutionärs Kurt Eisner (1867-1919) am 26. Februar 1919 auf dem Münchner Ostfriedhof war eine der größten Massenkundgebungen in München bis zu diesem Zeitpunkt und eine machtvolle Demonstration der Stärke der links-revolutionären Kräfte.
Die Ermordung Kurt Eisners
Kurt Eisner (1867-1919) wurde am 21. Februar 1919 auf dem Weg zum Bayerischen Landtag in der Münchner Prannerstraße von dem 22-jährigen Ex-Leutnant Anton Graf von Arco auf Valley (1897-1945) hinterrücks erschossen. Die Bluttat machte Eisner, der zu diesem Zeitpunkt selbst innerhalb der Arbeiterbewegung nicht mehr unumstritten war, zum Märtyrer der Münchner Revolution. Die Erinnerung an sein selbstloses Eintreten für Gewaltlosigkeit und Völkerverständigung drängte die Gegensätze in den Hintergrund und führte in der Arbeiterbevölkerung und in Teilen der bürgerlichen Öffentlichkeit zu einer parteiübergreifenden Solidarisierung. Am Ort des Attentats in der Promenadestraße (seit 1952: Kardinal-Faulhaber-Straße) kam es in den folgenden Tagen immer wieder zu Menschenaufläufen. Vor einem eilig aufgestellten Mahnmal, das aus einem Kranz bestand, der das Portrait des Toten einrahmte und auf einer Gewehrpyramide befestigt war, wurden Blumen niedergelegt. Fotoaufnahmen des Mahnmals wurden als Postkarten in großer Stückzahl verbreitet.
Die Vorbereitung der Trauerfeierlichkeiten
Für die Durchführung der Trauerfeierlichkeiten, die sich des in der Monarchie für Staatsbegräbnisse entwickelten Formenvorrats bedienten, war eine Bestattungskommission zuständig, der Eisners Sekretär Benno Merkle (1872-1959) und der Schauspieler Albert Florath (1888-1957) angehörten. Der Termin der Beisetzung wurde auf Mittwoch, den 26. Februar 1919, festgesetzt. Der Tag wurde vom Zentralrat, einem nach Eisners Ermordung als Übergangsregierung gebildeten Rätegremium, zum Landestrauertag bestimmt, an dem alle Betriebe in Bayern ihre Arbeit ruhen lassen sollten. Für die öffentlichen Gebäude der Stadt wurde Trauerbeflaggung angeordnet, tatsächlich waren am Tag der Beisetzung aber auch Geschäfts- und Privatgebäude mit vorwiegend roten und schwarzen Fahnen geschmückt. Das landesweit angeordnete Trauergeläut ließ sich nicht überall in gleichem Maße durchsetzen und wurde mancherorts von den Anhängern Eisners gegen den Widerstand der Pfarrer mit Gewalt erzwungen.
Der Trauerzug durch München
Da für den Trauerzug alleine wegen der großen Zahl von Abordnungen der organisierten Arbeiterbewegung mit einer Massenbeteiligung gerechnet werden musste, war als Ort der Aufstellung die Theresienwiese ausersehen worden. Die tatsächliche Zahl der Teilnehmer übertraf die Erwartungen aber wohl bei weitem. Es wird davon ausgegangen, dass an der Beisetzung annähernd 100.000 Menschen teilnahmen.
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Trauerzug für Kurt Eisner durch die Münchner Innenstadt. (Bayerische Staatsbibliothek, Bildarchiv hoff-5209)
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Eine Gruppe russischer Kriegsgefangener, die am Trauerzug teilnimmt. (Aus: Wollenberg, Als Rotarmist vor München, Abbildungsteil)
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Kutsche von Else Eisner beim Trauerzug für Kurt Eisner am 29. Februar 1919 zum Münchner Ostfriedhof. (Bayerische Staatsbibliothek, Bildarchiv hoff-5131)
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Gruppe russischer Kriegsgefangener im Trauerzug am Ostfriedhof 1919. Bei dem am Straßenrand befindlichen Soldaten mit Schnauzbart und Händen in den Manteltaschen wurde mehrfach spekuliert, ob es sich um Adolf Hitler handelt. Wann und von wem er darauf erstmals identifiziert wurde, ist jedoch nicht bekannt, entsprechende Markierungen, die dies behaupten, wurden erst nach 1945 angebracht. Neben der unklaren Überlieferungsgeschichte der Aufnahme spricht vor allem die Bildqualität und die Größe der abgebildeten Person dagegen.
Neben den Delegationen der sozialistischen Parteien und der Gewerkschaften nahmen an dem Marsch durch München unter anderem der Chor des Nationaltheaters, Vertreter der Stadt, Abordnungen aller Münchner Regimenter, Vertreter der russischen Kriegsgefangenen sowie eine nicht bezifferbare Zahl unorganisierter Einzelpersonen teil. Zehntausende von Münchnern säumten die Straßen der Innenstadt. Selbst die bürgerliche Presse musste anerkennen, dass der Trauerzug nach der Zahl der Teilnehmer ohne Beispiel war.
Die Beisetzung Eisners auf dem Münchner Ostfriedhof
Ziel des Zuges war der Martinsplatz vor dem Münchner Ostfriedhof, auf dem die eigentliche Trauerfeierlichkeit abgehalten wurde. Die Einäscherung der Leiche und die Beisetzung selbst waren neben den Regierungsmitgliedern und den führenden Repräsentanten der sozialistischen Parteien hingegen nur einem vergleichsweise kleinen Kreis von Angehörigen, Freunden und politischen Weggefährten zugänglich. Trauerreden hielten der Minister für soziale Fürsorge, Hans Unterleitner (1890-1971), der USPD-Reichstagsabgeordnete Hugo Haase (1863-1919) und als Vertreter der kommunistischen Partei Max Levien (1885-1938). Höhepunkt war jedoch ohne Zweifel die Ansprache Gustav Landauers (1870-1919), in der dieser vor allem Eisners ethischen Sozialismus hervorhob.
Das Schicksal des Eisner-Grabes
An Stelle eines Grabsteins wurde über Eisners Beisetzungsstätte 1922 ein aus Kunststein gefertigtes Denkmal errichtet, das zugleich an die Toten der Revolution erinnerte. Für Konservative und nationalistische Rechte war es von Anfang an ein Stein des Anstoßes. Schon kurz nach der "Machtergreifung" beschloss der Münchner Stadtrat daher dessen Abbruch (Juni 1933). Kurt Eisners sterbliche Überreste wurden auf den neuen Friedhof der Israelitischen Kultusgemeinde umgebettet und neben der Urne Gustav Landauers beigesetzt. Protagonisten dieser Maßnahme waren die nationalsozialistischen Stadträte Christian Weber (1883-1945) und Hans Zöberlein (1895-1964). Unterstützt wurden sie von Georg Stang (1880-1951), einem Mitglied der Bayerischen Volkspartei. Es dauerte bis zum Jahr 1954, ehe das Denkmal in leicht modifizierter Form wieder errichtet werden konnte.
Film
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Filmaufnahmen der Trauerfeierlichkeiten anlässlich der Beerdigung Kurt Eisners, 26. Februar 1919 bei bavarikon
Literatur
- Maxi Besold, Ein Stein des Anstoßes. Das Denkmal an die Toten der Revolution 1919, in: Geschichte Quer 8 (2000), 18f.
- Rudolf Herz, Dirk Halfbrodt, Revolution und Fotografie. München 1918/19, Berlin 1988.
- Gavriel Rosenfeld, Monuments and the Politics of Memory: Commemorating Kurt Eisner and the Bavarian Revolutions 1918-1919 in Postwar Munich, in: Central European History 30 (1997), No. 2, 221-251.
- Albrecht Sylla, Kein Glockenläuten für Kurt Eisner. Stiftspfarrer Hergenröther und seine Bienen verhindern revolutionäres Glockenläuten zum Andenken an den ermordeten Ministerpräsidenten Eisner, in: Geschichte Quer 7 (1999), 43f.
- Wolfgang Zorn, Bayerns Geschichte im 20. Jahrhundert, München1986, 174.
Quellen
- Kritische Online-Edition der Tagebücher Michael Kardinal von Faulhabers (1911-1952). Tagebucheintrag vom 26. Februar 1919, EAM, NL Faulhaber 10003, 54-55.
- Münchner Neueste Nachrichten, Nr. 94, 27.2.1919 (Abendausgabe).
Weiterführende Recherche
Verwandte Artikel
- Beisetzung Kronprinz Rupprechts, München, 6. August 1955
- Beisetzung Ludwigs III., München, 5. November 1921
Begräbnis Eisners
Empfohlene Zitierweise
Bernhard Grau, Beisetzung Kurt Eisners, München, 26. Februar 1919, publiziert am 16.08.2006; in: Historisches Lexikon Bayerns, URL: <https://www.historisches-lexikon-bayerns.de/Lexikon/Beisetzung_Kurt_Eisners,_München,_26._Februar_1919> (5.12.2025)
