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Freistaat Bayern

Aus Historisches Lexikon Bayerns

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Kurt Eisner, Anfang 1918. (Bayerische Staatsbibliothek, Bildarchiv hoff-920)
Proklamation des Freistaates Bayern durch Kurt Eisner, 8. November 1918, Münchner Neueste Nachrichten, 71. Jahrgang, Nr. 564. (Bayerische Staatsbibliothek, 2 H.un.app. 47 h-1918,10-12)
Briefmarke der Germania-Serie des Deutschen Reichs mit dem Aufdruck "Freistaat Bayern", 1919. (Privatbesitz)
In der Bayerischen Verfassung von 1946 wird im § 1 Abs. 1 Bayern als Freistaat bezeichnet (farblich hervorgehoben). (Veröffentlichung der Bayerischen Verfassung von 1946 im Bayerischen Gesetz- und Verordnungsblatt, Nr. 23 (8.12.1946), 333)

von Johannes Merz

Der bayerische Staatsname lautet seit 1919 offiziell "Freistaat Bayern". Ursprünglich bedeutete "Freistaat" die Freiheit vom deutschen Reich, dann als deutsche Entsprechung von "Republik" das Gegenteil der Monarchie. 1918/19 setzte sich das Wort als allgemeine Bezeichnung der ehemaligen deutschen Bundesstaaten und nunmehrigen Teile der Weimarer Republik durch. Seit den 1960er Jahren stand es vor allem für die föderalistische Politik und die kulturelle Identität des Landes Bayern in der Bundesrepublik Deutschland.

Geschichte des Wortes "Freistaat" bis 1918

Das Wort "Freistaat" ist erstmals 1731 belegt, und zwar zur Kennzeichnung der Unabhängigkeit der Schweizer Eidgenossenschaft vom Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation seit 1648. Im Kontext der Aufklärung und der Entstehung der Republiken in Nordamerika und Frankreich sowie im Zuge des sprachgeschichtlichen Phänomens der Verdeutschung von Ausdrücken bezeichnete "Freistaat" als freie Übertragung von "Republik" eine Staatsform, mit der die politische und persönliche Freiheit aller Staatsbürger gewährleistet wurde. Im Zuge der liberalen und demokratischen Bewegungen in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts verengte sich diese Bedeutung auf den Gegensatz zur monarchischen Staatsform; König Ludwig I. verwendete den Begriff in diesem Sinne in seiner Abdankungsurkunde von 1848. Nach dem Scheitern der Revolution von 1848 verschwand das Begriffspaar "Republik/Freistaat" weitgehend aus dem politischen Vokabular. Es wurde zu Beginn des 20. Jahrhunderts ersetzt durch das Wort "Volksstaat", mit dem auch eine parlamentarische Monarchie bezeichnet werden konnte.

"Freistaat" in der Weimarer Republik

In der Proklamation Kurt Eisners (USPD, 1867-1919) vom 8. November 1918 steht der Satz: "Bayern ist fortan ein Freistaat!", doch war darin auch von der "Republik" die Rede. In den Medien und von den amtlichen Stellen wurde zunächst überwiegend die moderne Vokabel "Volksstaat" verwendet. Im Deutschen Reich existierte ca. von November 1918 bis Februar 1919 faktisch eine Sprachregelung, die besonders vom Staatssekretär und späteren Reichsminister des Innern Hugo Preuß (1860-1925) betrieben wurde, nach der "Republik" vor allem das Deutsche Reich, "Freistaaten" dagegen seine Bestandteile, die ehemaligen deutschen Bundesstaaten, meinte. Festgeschrieben wurde diese Regelung im Gesetz über die vorläufige Reichsgewalt vom 10. Februar 1919. Unter direktem Bezug darauf nahm Bayern in seinem am 20. Februar 1919 im Kabinett verabschiedeten Staatsgrundgesetz das Wort "Freistaat" auf. Als Staatsname offiziell festgelegt wurde es allerdings erst auf Initiative des Ministerpräsidenten Johannes Hoffmann (1867-1930), der es gleichzeitig als Kampfbegriff gegen die "Diktatur" der Räterepublik verstand und eine amtliche Zeitung mit dem Namen "Der Freistaat" herausgab. Obwohl fast alle deutschen Länder das Wort "Freistaat" in ihre Verfassungen aufnahmen, spielte es nach 1919 keine Rolle im öffentlichen Bewusstsein mehr.

"Freistaat" nach 1945

Bei den Verfassungsberatungen 1946 wurde unter entscheidender Beteiligung des Ministerpräsidenten Wilhelm Hoegner (SPD, 1887-1980) der alte Staatsname mit Bezug auf seine antimonarchische Bedeutung wieder aufgenommen und als deutscher Ausdruck der "Republik" vorgezogen. Seit den späten 1950er Jahren entstand als neuer Sinngehalt des Freistaat-Begriffs die Konnotation des weiß-blauen, "widerspenstigen" Bayern, das diesen Namen als einziges westliches Land der Bundesrepublik Deutschland führte. Die föderalistische Begriffsprägung war mit ausschlaggebend für die bewusste Annahme des Staatsnamens "Freistaat Sachsen" 1990 und "Freistaat Thüringen" 1993.

Literatur

Quellen

Weiterführende Recherche

Externe Links

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Volksstaat, Republik

Empfohlene Zitierweise

Johannes Merz, Freistaat Bayern, publiziert am 03.07.2006; in: Historisches Lexikon Bayerns, URL: <http://www.historisches-lexikon-bayerns.de/Lexikon/Freistaat_Bayern> (19.03.2024)