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Landshuter Hochzeit, 1475

Aus Historisches Lexikon Bayerns

Wappen des Ehepaares Hedwig Jagiellonica und Georg des Reichen von Bayern-Landshut in der Burg zu Burghausen. (Foto: Peter Paulus)

von Christof Paulus

Die Hochzeit Hedwigs (1457–1502), der Tochter König Kasimirs IV. von Polen (reg. 1447-1492) und dessen Gemahlin Elisabeth von Habsburg (1436/37-1505), mit dem Sohn des Herzogs von Bayern-Landshut, Georg dem Reichen (reg. 1479–1503), am 14. und 15. November 1475 in Landshut ist eines der großen politischen Ereignisse des ausgehenden Mittelalters. Es zog hochrangige Gäste, darunter Friedrich III. (reg. 1440–1493, Kaiser ab 1452) und seinen Sohn Maximilian I. (reg. 1486/1493–1519, Kaiser ab 1508), an die Isar. Dank dem seit 1903 aufgeführten historischen Festspiel hat die Landshuter Hochzeit einen sicheren Platz im Geschichtsbewusstsein. Insgesamt präsentierte sich während der achttägigen Feierlichkeiten das Reich in seinen Verfassungsstrukturen und in seinen Machtgefügen.

Zur Quellenlage

Stifterbild aus der Handschrift des Hans Seibolt von 1482, einer der wichtigsten Quellen zur Landshuter Hochzeit. Zu sehen sind die Wappen der Jud (Draufsicht links) und der Radlkofer. (Bayerische Staatsbibliothek, Cgm 331, fol. 177r)

Die Quellenlage zur Landshuter Hochzeit ist insgesamt durchaus breit und vielfältig. Neben einer beachtlichen archivalischen Überlieferung an Rechnungen – allen voran die "Große Rechnung" (Bayerische Staatsbibliothek, Cgm 1955 und Abschriften), eine Zusammenstellung der Kosten und des Verbrauchs bei den Landshuter Festtagen – und diplomatischer Korrespondenz gibt es eine Reihe erzählender Quellen, die bei unterschiedlicher inhaltlicher Schwerpunktsetzung und Perspektive von dem Ereignis berichten. Der bedeutendste Text wurde von dem aus Höchstädt an der Donau (Lkr. Dillingen a.d.Donau) stammenden Hans Seibolt verfasst (Bayerische Staatsbibliothek, Cgm 331), ehemals Klosterschreiber bei den Landshuter Zisterzienserinnen. Seibolt schrieb 1482 ein detailreiches Auftragswerk nieder, das besonders die "Vorgeschichte" der Hochzeitsfestivitäten thematisiert und sich dabei auf umfangreich zitiertes Material der herzoglichen Kanzlei stützt. Bedeutsam ist ferner der Augenzeugenbericht des im Dienst des Markgrafen und Kurfürsten Albrecht Achilles von Brandenburg (reg. 1440–1486, Kurfürst ab 1471) stehenden Hans Oringen ("Markgrafenschreiber"; Thüringisches Hauptstaatsarchiv Weimar Reg. D. 31). Beiden an die Seite zu stellen ist der vor wenigen Jahren entdeckte Bericht des Katzenelnbogener Schreibers Johann Gensbein (1444–ca. 1504/07), der das Geschehen ausführlich aus rheinischer Perspektive und mit einer Fülle von neuen Details schildert (Staatsbibliothek Preußischer Kulturbesitz Berlin mgq 1803). An weiteren bedeutsamen Quellen sind anzuführen die deutsch-lateinischen Aufzeichnungen des Geistlichen Veit Arnpeck (ca. 1440–1496; Autograph Bayerische Staatsbibliothek, Clm 2230; Cgm 2817 und weitere 17 Abschriften), der mit großer Wahrscheinlichkeit zugegen war, ferner der erzählerisch abgerundete Bericht des Elsässer Ritters Hans von Hungerstein (ca. 1440–1503; National Gallery of Art Washington D. C. The Woodner Collection, Inv.-Nr. 2006.11.15) und die Aufzeichnungen des Leipziger Universitätslehrers Johann Wyse (gest. 1486; Universitätsbibliothek Leipzig ms. 1674). Über die Notizbücher des Johannes Aventin (1477–1534) ("Adversarien"; Bayerische Staatsbibliothek, Clm 1201) lässt sich ein weiterer Überlieferungsstrang fassen. Unter den kürzeren Aufzeichnungen sind die Ausführungen des Geschichtsschreibers Jan Długosz (1415–1480; bezüglich der Landshuter Hochzeit in fünf jüngeren Handschriften überliefert) erwähnenswert, der die Landshuter Hochzeit aus polnischer Perspektive betrachtet, sowie die kritischen Bemerkungen des pfälzischen Historiographen Matthias von Kemnat (ca. 1430–1476; Bayerische Staatsbibliothek, Cgm 1642; Oefeleana 178), möglicherweise der zeitlich nächste schriftliche Niederschlag des Ereignisses.

Darstellung von Herzog Ludwig dem Reichen von Bayern-Landshut (reg. 1450-1479), links auf dem Stifterblatt im Matrikelbuch der Ludwig-Maximilians-Universität von 1472. (Universitätsarchiv München, DV2)
Stifterrelief aus Lindenholz an der Westempore in der Äußeren Burgkapellle, der sog. Hedwigskapelle, in der Burg zu Burghausen: Christus als Schmerzensmann mit Herzog Georg dem Reichen (reg. 1479–1503) und Hedwig von Polen (1457-1502), entstanden um 1489. (© Bayerische Schlösserverwaltung, Rainer Herrmann/Ulrich Pfeuffer, München)
Brautkrone der Herzogin Hedwig (1457-1502). (Goldfiligranarbeit mit Edelsteinen und Süßwasserperlen; Oberhausmuseum Passau, Inv. Nr. 136)

Die Landshuter Hochzeit im Kontext

Die außergewöhnliche Stellung der Landshuter Hochzeit wird deutlich, vergleicht man sie mit den hoch- und spätmittelalterlichen Eheschließungen der Wittelsbacher zwischen 1200 und 1500. Meist beschränkten sich diese auf das Reichsgebiet. Im 15. Jahrhundert ist bei auswärtigen Eheverbindungen eher eine Orientierung nach Süden oder Westen festzustellen, nicht nach Osten. In dieser Hinsicht kann der Landshuter Eheschließung nur die Hochzeit Ludwigs VI. (reg. 1347–1364/65, Kurfürst ab 1356), eines Sohnes Ludwigs des Bayern (reg. 1314–1347, Kaiser ab 1328), mit Kunigunde von Polen (ca. 1328–ca. 1357) 1341 zur Seite gestellt werden. Die Landshuter Hochzeit eröffnete eine Phase der "dynastischen Politik" des polnischen Königsgeschlechts der Jagiellonen mit bedeutenden Reichsfürsten. So heirateten zwei jüngere Schwestern Hedwigs (1457-1502) nach Brandenburg und Sachsen. Außergewöhnlich und nur aus den Zeitumständen erklärbar ist der Standesunterschied zwischen der polnischen Königstocher Hedwig – in den Quellentexten durchweg "Königin" genannt – und Georg (reg. 1479–1503), dem Sohn des Landshuter Herzogs Ludwig IX. (reg. 1450-1479). Die zur Zeit der Hochzeit(splanungen) unter massivem Druck vor allem des ungarischen Königs Matthias Corvinus (reg. 1458–1490) stehenden Jagiellonen erhofften sich von den schon zeitgenössisch so genannten "reichen" Herzögen von Bayern-Landshut Unterstützung vor allem auch bezüglich Böhmens; dort herrschte Hedwigs Bruder Vladislav II. (reg. 1471–1516) als König. Zudem waren die Wittelsbacher ein wichtiger Brückenkopf in den Westen.

Für die reichen Herzöge – "rîch" meinte nicht nur wohlhabend, sondern auch mächtig – brachte die Eheschließung einen gewaltigen Reputationsschub. Gleichzeitig konnten sie auf einen gesteigerten Einfluss im benachbarten Böhmen hoffen, ohne fürchten zu müssen, beim Ungarnkönig in Ungnade zu fallen, mit dem sie 1469 einen weitreichenden Vertrag geschlossen hatten. Zuletzt hatte die dynastische Eheschließung die Strahlkraft eines politischen Signals: Herzog Ludwig der Reiche konnte eindrücklich seinen Rang auf Reichsebene vor den anwesenden Kurfürsten und Fürsten sowie einer breiten Öffentlichkeit deutlich machen. Hedwigs Mitgift (32.000 Gulden, freilich erst Jahrzehnte später gänzlich bezahlt) sowie ein legendärer Schatz an Kleinodien und Silbergeschirr (umgerechnet rund 100.000 fl.) bedeutete für die reichen Herzöge zuletzt auch einen finanziellen Gewinn – dem allerdings nicht minder hohe Ausgaben für die Feierlichkeiten gegenüberstanden (ca. 60.000 rheinische Gulden).

Verlauf und Charakter

Der Verlauf der Landshuter Feierlichkeiten lässt sich mit anderen fürstlichen Eheschließungen der Zeit und ihren wesentlichen Bestandteilen vergleichen: Brautfahrt, "adventus" (Empfang) der Braut, Amt, Festmahl, Tanz, Beilager, Turnier(en).

Am 10. September 1474 hatten sich der Regensburger Bischof sowie der Landshuter Hofmeister Theseres von Fraunhofer (gest. 1503) auf den Weg nach Polen gemacht, um die Hochzeit einzufädeln. Zu Jahresende wurde der Ehevertrag besiegelt. Eine bayerische Delegation holte den Brautzug in Wittenberg (Sachsen-Anhalt) zu Oktobermitte des Folgejahres ab. Da eine Seuche - die Quellen verwenden das nicht eindeutige Wort "Pest" - herrschte, wurde auf polnisches Drängen ein Umweg eingeschlagen, weshalb die Hochzeitsfeierlichkeiten verspätet begannen.

Am 14. November 1475 wurde Hedwig in Eching (Lkr. Landshut) empfangen und nach Landshut geführt. Am gleichen und am Folgetag fanden die für das zeitgenössische Verständnis entscheidenden, da das Geschehen in einen Heilsrahmen einordnenden Gottesdienste in der Pfarrkirche St. Martin statt. Altstadt 300 (so die heutige Adresse) war die Wohnung der Braut, Altstadt 315 (Rathaus) war die des Bräutigams, wo sich auch der Tanzsaal befand. Vor dem Rathaus wurde auf der Stechbahn geritten.

Hans Wertinger (um 1465/70-1533), Monatsbild mit der ältesten bekannten Darstellung eines Turniers in der Landshuter Altstadt, um 1516–25. Öl auf Holztafel. (© Bayerische Schlösserverwaltung, Maria Scherf / Andrea Gruber, München, LaRes.G0040)

Die Landshuter Hochzeit inszenierte die fürstliche Exklusivität, garantiert durch umfangreiche Sicherheitsmaßnahmen. Auf den mitten in der Stadt eigens aufgesandeten Turnierplätzen manifestierten sich die Ideale der ritterlichen Adelskultur. Beim Einzug und bei den Feierlichkeiten präsentierten und legitimierten Gefolge, Geschenke und Kleidung den jeweiligen Fürsten. Herzog Ludwig konnte dabei auf vielfache Weise seinen Anspruch zur Schau stellen – durch die Prachtentfaltung, die von den Zeitgenossen wahrgenommene logistische Großleistung, aber auch durch die polizeilichen Maßnahmen. Reden und performative Akte zeigten Wertesysteme und Rangverhältnisse auf. Besonders Seibolt schildert die Hochzeitsfeierlichkeiten wie ein "Familienfest der Reichssippe", wobei die verwandtschaftlichen Bindungen die Reichstektonik spiegeln.

Dimensionen der Hochzeit - das Reich zu Gast

Seit langem faszinieren die gewaltigen Zahlen der Kosten und des Verbrauchs, welche vor allem die "Große Rechnung" und Seibolt wie auch Aventin überliefern: 323 Ochsen, 11.500 Gänse, 40.000 Hühner, 194.345 Eier, 140 Pfund Rosinen, 730 Pfund Feigen, drei Eimer Honig, 1½ Zentner Safran, 338 Pfund Pfeffer, 75.000 Krebse usw., Gesamtkosten: 60.766 rheinische Gulden, 73 Pfennige - das sind nur einige der spektakulären Zahlen. Dabei decken sich die genannten Zahlen in den Quellen nicht durchgehend, da die spezifizierte und amtlich beglaubigte Zusammenstellung der "Großen Rechnung" andere Maßeinheiten als Aventin zugrunde legt bzw. der humanistische Geschichtsschreiber von bereits zubereitetem Fleisch ausgeht. Die Fürstenküche befand sich in der Seckengasse.

Die zahlreichen "Bühnen" in und um die eigentliche Hochzeit boten vielfache Möglichkeiten, vor repräsentativen (Teil-)Öffentlichkeiten Macht und Ansprüche zu demonstrieren. Eine Fülle vorbereitender Maßnahmen von Landshuter Seite zeigt das Wechselverhältnis von herrschaftlicher Durchdringung des Landes (Landesordnung vom 6. November 1474) und Organisation des Festes. Die Landstände hatten wesentlich für den gewaltigen Bedarf an Lebensmitteln aufzukommen, wobei die Unterbehörden (Landrichter und Pflegämter) eine wichtige logistische Scharnierfunktion erfüllten. Die Hochzeitsvorbereitungen mag Herzog Ludwig auch für eine territoriale Inventarisierung der (landwirtschaftlichen) Leistungsfähigkeit genutzt haben. Obwohl nur wenige Quellen auf die Rolle der Landstände eingehen – erwähnt wird beispielsweise die Abordnung von Köchen aus den Klöstern des Teilherzogtums –, so waren diese die ersten Adressaten der herzoglichen Macht- und Prachtinszenierung. Nicht umsonst sollte den auf Kosten des Landesherrn verköstigten Untertanen die Teilnahme an den Feierlichkeiten ermöglicht werden.

Der Herzog und seine Familie präsentierten sich umgeben von den bedeutendsten Fürsten des Reichs und deren adligem Gefolge. Das Reich – personifiziert im Kaiser und den Fürsten – war für wenige Tage zu Gast in Landshut. Anwesend waren, um nur die wichtigsten zu nennen: Kaiser Friedrich III. und sein Sohn Maximilian I. (reg. 1486/1493–1519, Kaiser ab 1508), Pfalzgraf Philipp (reg. 1449–1451, 1476–1508), Markgraf Albrecht Achilles von Brandenburg, Herzog Sigismund von Tirol (reg. 1447–1490, gest. 1496), die Münchner Herzöge Albrecht IV. (reg. 1465–1508), Christoph (1449–1493) und Wolfgang (1451–1514), die Pfalzgrafen Otto II. (reg. 1461–1499) und Johann von Pfalz-Mosbach (1443–1486), daneben die Bischöfe von Salzburg, Passau, Augsburg, Freising, Bamberg, Eichstätt sowie ein Vertreter der Regensburger Diözese (der Oberhirte war nach späterer Überlieferung auf Romfahrt). Hinzu kam eine beachtliche Zahl von Grafen, die nebst Gemahlinnen mit großem Gefolge nach Landshut kamen; durch Gesandtschaften waren außerdem der König von Böhmen, Pfalzgraf Friedrich der Siegreiche (reg. 1451–1476), die Wettiner Ernst (reg. 1464–1486) und Albrecht von Sachsen (reg. 1464–1500) sowie ein gutes halbes Dutzend Reichsstädte vertreten.

Landshut, dessen kaum 10.000 Köpfe zählende Bevölkerung vielfältig in die Festivitäten einbezogen war, zeigte ein verändertes Gesicht, denn für die Hochzeit wurden mehrere einschneidende Baumaßnahmen und architektonische Umgestaltungen vorgenommen. Der Hof wuchs gleichsam in die Straßen der Stadt hinein, da er das fürstliche Rang- und Rollenspiel auch in die Breite der Öffentlichkeit trug. Die Darstellung der Zugehörigkeit wurde durch eine vom Herzog ausgehende symbolgeladene Uniformierung vorangetrieben: Die herzoglichen Farben waren allenthalben sichtbar und machten damit die Präsenz des Herzogs deutlich. Dieser Aspekt manifestierte sich aber auch beim Gefolge der anderen Fürsten zur Sichtbarmachung ihres Ranges, wobei nicht zuletzt die schiere Anzahl als Indikator der Bedeutung eingesetzt wurde.

Insgesamt war die Fürstenhochzeit von 1475 ein reichspolitisches Großereignis, das nicht nur in die spätmittelalterliche Festkultur einzuordnen, sondern auch mit dem Analyseinstrumentarium für Reichsversammlungen und Konzilien zu betrachten ist. Das Reich inszenierte sich in Landshut in seinem Verfassungsgefüge. Die Großen ergriffen die Möglichkeit, miteinander "ins Geschäft zu kommen". Die Anwesenheit des Reichsoberhauptes scheint eine magnetische Anziehungskraft auf die Fürsten wie auf die Reichsstädte ausgeübt zu haben. Während der Landshuter Feierlichkeiten investierte der Kaiser den Bamberger Bischof mit den Regalien, und auch Vladislav II. hätte nach dem Zeugnis von Długosz in Landshut sein Lehen empfangen sollen, war jedoch nicht an der Isar erschienen.

Landshuter Klangwelten

Die narrativen Texte bieten die Möglichkeit, in die Klangwelt, die soundscapes Landshuts, hineinzuhören. "Item es warnn ettwevil trummetter, paugker und pfeiffer allda", weiß Seibolt zu berichten; mehr als tausend sollen den Einzug der Braut in die Stadt begleitet haben. Und in der Kirche machten sie angeblich "ein solh gedön, das einer nicht wol sein aigen wortt hörnn mocht". Manches wurde von den Zeitgenossen als Lärm empfunden, manches nicht. Neben Seibolt erwähnt auch Aventin, der Salzburger Erzbischof habe seine Sänger und seinen Organisten mitgebracht. Der Organist musste dabei die schluchzende Braut übertönen, so Johann Gensbein: "deßhalber man von stundt off der orgeln spilt, uff daz man das schreyen nit horet". Die Geräuschkulisse während jener Landshuter Festtage muss allein schon wegen der großen Anzahl an Besuchern gewaltig gewesen sein: Gensbein schätzt 18.000, Hungerstein 10.000; meist floss via Seibolt und Arnpeck die Zahl von 9.163 Pferden (die gewaltigen Lärm verursachten) in die Darstellungen ein, was einer Vielzahl an Gästen entspricht. Gewiss zählte Landshut in jenen Novembertagen mehr als doppelt so viele Menschen als sonst, was allein die logistische Herausforderung jener Tage unterstreicht. Spielleute waren auf den Straßen, Herolde riefen die Namen der Gäste aus, welche sich durch aufgestellte Wappenschilder auswiesen.

Symbolische Kommunikation und spätmittelalterliches Verständnis

Die Landshuter Fürstenhochzeit kann wegen der dort vollzogenen Zeremonien und Rituale als eine Explosion der Zeichen und Inszenierungen begriffen werden, etwa hinsichtlich der getragenen Kleider in ihrer Symbolkraft oder der beim Kirchgang und den Sitzordnungen des Hochzeitsmahls offensichtlich werdenden Rangstrukturen und Verbindungen. An dieser fürstlichen, auf Erinnerung angelegten Selbstinszenierung übt Matthias von Kemnath scharfe Kritik: "unnd zerging die grosse pompe unnd hoffart schnell." Für ihn sind die Landshuter Festivitäten Zerrbild einer sich in äußerer Prachtentfaltung ergehenden und aus den Fugen geratenen Adelswelt. Auch andere Autoren wie Gensbein oder Oringen lassen sich nicht vollends vom Strudel des Erlebten mitreißen und zeigen Brüche im fürstlichen Kosmos auf. Sie erwähnen, wenn sich ein Fürst aus dem als einträchtig zu präsentierenden Reichsgefüge herausbewegte und damit die Spielräume der symbolischen Kommunikation sprengte.

Bei aller Faszination über das Farben- und Geräuschspektakel darf nicht die religiöse, zutiefst mittelalterliche Dimension übersehen werden. Zeitgenossen nahmen das Geschehen als großes Sinneerlebnis wahr, und es ist eine moderne laikale Sichtweise, die im Spätmittelalter vielfältig ineinander verwobenen Sphären zu trennen bzw. nur Teilaspekte herauszugreifen. Der von fast allen Autoren erwähnte zweimalige Kirchgang war Kern der Feier und ordnete diese in einen Heilsrahmen ein. Gerade Hungerstein vermerkt jene religiöse Tiefendimension, wenn er auf Heiltumsweisungen eingeht oder schreibt, man sei der Braut mit dem Allerheiligsten entgegengezogen. Nach Aventin bzw. dessen Vorlage reichte der Freisinger Bischof als der für Landshut zuständige Ortsbischof dem Kaiser die Reliquien und den Friedenskuss. Folgerichtig verwendet Arnpeck mit "gaudium" bzw. "frewd" zwei Begriffe, die eine religiöse wie auch eine höfische Konnotation besitzen.

Wahrnehmung des Fremden

Das Sinneerlebnis betraf nicht zuletzt die Begegnung mit Neuem und Fremdem. Mehrere Autoren erwähnen die Anwesenheit des "Bruders des türkischen Kaisers", Otman Calixt. Oringen zeigt den größten Mode-Kennerblick bezüglich fremder Kleidung und Frisuren. Nahezu alle Chronisten gehen ausführlich auf Kleidung und Sitten der polnischen Gäste ein. Gensbein bemerkt die "setzen namen" der polnischen Großen. Oringen vergleicht die Prunkbewaffnung mit den Osmanen. Den Autoren fallen Unterschiede zu heimischen Gebräuchen auf. Aventin hält die Anwesenheit von "ettlich der treffenlichisten herrn aus Bolan, der Littaw, Rewssen, Tattern und anndern lannden" fest, deren goldene und perlenübersäte Kleider leuchteten und deren Begleiter "vast täwttschen sytten geziertt" gewesen seien. Man konnte die polnische Sprache hören; Dolmetscher übersetzten die offiziellen Reden. Die polnischen Gäste ihrerseits verzehrten die kulinarischen Spezialitäten Landshuts, von denen mehrere Autoren ausführlich berichten. Wie die damals 18-jährige Hedwig selbst die Heirat im Einzelnen wahrnahm und wie etwa ihr Weinen während der Trauung im Rahmen der spätmittelalterlichen Schauemotionalität zu verorten ist, kann kaum geklärt werden.

Das hier in Ansätzen skizzierte Beziehungsgeflecht lässt sich mit dem Problemfeld des "Kulturtransfers" bzw. besser der "Kulturdiffusion" in Verbindung bringen. Manch einer der Autoren findet auch seine Vorurteile bestätigt. Umso bedeutsamer ist als Komplementärquelle die Schilderung des polnischen Adligen Długosz. Dieser zieht eine nüchtern-resignierte Bilanz: Das politische Kalkül der Polen - König Kasimir (reg. 1447-1492) hatte sich eine Einflusssteigerung gegenüber den Großen seines Reiches erhofft - hätte sich letztlich nicht erfüllt. Nicht umsonst erwähnt Długosz die grassierende Seuche, wodurch der Brautzug von Wittenberg zu einem Umweg gezwungen wurde: Während die herzogliche Gesandtschaft für die Reise von Landshut nach Wittenberg zwölf Tage bei einem Tagespensum von rund 40 Kilometern benötigte, brauchte der Brautzug 18 Tage.

Modell Landshut?

Beim Versuch einer Typologie der spätmittelalterlichen Dynastienhochzeit unterschied die Forschung ein "Modell Brügge" (Eheschließung Herzog Karls des Kühnen von Burgund [reg. 1467–1477] mit Margarethe von York [1446–1503] 1468) von einem "Modell Landshut". Auf beiden suchte sich der Adel als soziale wie politische Führungsschicht zu profilieren und zu legitimieren. Verschieden waren der Grad der Einbeziehung der Stadtbevölkerung, die Integration der Frauen in die Hofgesellschaft – beim Landshuter Fest saßen die Geschlechter getrennt – und die Zusammensetzung der Festgemeinschaft. Zudem waren in Brügge weniger Fürsten anwesend als in Landshut, was mit dem Hof und den Untertanen als Zielgruppe der Prachtinszenierung erklärt wird. Allerdings bleibt fraglich, inwiefern der aufgezeigte Dualismus trennscharf ist. Auch die Landshuter Hochzeit hatte eine nach innen zielende, integrative Perspektive. Bühne des Reichs und Bühne des Landes schließen sich nicht aus.

Vergleiche mit anderen Fürstenhochzeiten können den Blick für das Außergewöhnliche der Landshuter Hochzeit schärfen. Natürlich verzerrt sich das Bild, wird auf die habsburgischen Vermählungen der Jahre 1452, 1477 oder 1526 geschaut, da diese durchweg unter königlich-kaiserlichen Vorzeichen standen. Beim Vergleichsbeispiel der Uracher Hochzeit zwischen Graf Eberhard von Württemberg (reg. 1457–1496, Herzog ab 1495) und Barbara Gonzaga (1455–1503) 1474 fallen Gemeinsamkeiten bei Vorbereitung, Ablauf, Inszenierung oder öffentlicher Verköstigung auf. Unvergleichlich größer war in Landshut Zahl und vor allem Bedeutung der anwesenden Gäste. Ähnliches gilt im Vergleich mit der Amberger Hochzeit 1474. Hier heiratete Margarete (1456-1501), Tochter Herzog Ludwigs von Bayern-Landshut, den pfälzischen Kurprinzen Philipp (reg. 1476-1508). Übereinstimmungen zwischen Amberger und Landshuter Hochzeit liegen in der höfischen Prachtentfaltung und im gewaltigen, bei ersterer auch weitgehend aus der Umgebung Ambergs gedeckten Lebensmittelbedarf. Doch ebenfalls bei diesem Vergleichsbeispiel liegt der wesentliche Unterschied in Zahl und Rang der anwesenden Reichsfürsten. Weniger die gewaltigen Mengen an Speisen, Spezereien und Getränken – denn diese wurden auch in Urach oder Amberg verzehrt –, sondern die politische Dimension macht die Bedeutung der Landshuter Festtage aus. Eine Typologie der spätmittelalterlichen Hochzeit mag den Blick für Gemeinsamkeiten schärfen, doch sind die Feste in ihren jeweiligen Kontexten und vor der politischen Gesamtlage der Zeit zu profilieren. Ein individueller Zugriff, der von möglichen Gemeinsamkeiten - wie den zentralisierenden Elementen, der höfischen Inszenierungspraktik oder der Bühnenhaftigkeit politischen Handelns im Spätmittelalter - weiß, dürfte für ein tiefergehendes Verständnis vorteilhafter sein.

Brautwagen und Fürstengruppe. Umlaufgemälde des Hochzeitszuges im Prunksaal des Landshuter Rathauses. (Verein "Die Förderer" e. V.)

Rezeption

Seit 1903 füllt ein Historienspektakel die Straßen Landshuts, im Jahr 2017 mit rund 2400 direkt Mitwirkenden. Zunächst als jährliche Veranstaltung, ab 1950 alle drei, ab 1981 alle vier Jahre – Unterbrechungen gab es während der Weltkriege und bei einem Großbrand 1970 –, geht die Initiative auf die beiden Landshuter Bürger Georg Tippel (gest. 1938) und Joseph Linnbrunner zurück. Bereits in den frühen 1880er Jahre hatten der Münchner Hofmaler August Spieß (1841–1923), Rudolf von Seitz (1842–1910), Ludwig von Löfftz (1845–1910) und Konrad Weigand (1842–1897) den Landshuter Rathausprunksaal mit Gemälden ausgeziert, die im historisierenden Stil an die Fürstenhochzeit erinnerten. Der Gastwirt Tippel und der Zwiebackfabrikant Linnbrunner, 1902 auch zu den Vorsitzenden des Vereins "Die Förderer" gewählt, suchten die Gemälde gleichsam zum Leben zu erwecken, wobei Stolz auf die eigene Stadtgeschichte wie wirtschaftliche Überlegungen ausschlaggebende Motive waren. Erstmals setzte sich der Hochzeitszug mit 248 Teilnehmern anlässlich einer Industrie- und Gewerbeausstellung 1903 in Bewegung. 1905 kamen Fest-, 1924 Tanzspiel und ein Turnier im Jahre 1925 hinzu. Als zentrale Vereinsstätte wurde ab 1983 das "Zeughaus" am Turnierplatz gebaut. 2013 kam erstmals der neu gebaute Brautwagen zum Einsatz, auch eine Fechtschule auf der Burg Trausnitz präsentiert seit diesem Jahr ihre Künste. Für 2017 wurde das bei Hans von Hungerstein erwähnte Reichsschwert angefertigt. Insgesamt hat die "Landshuter Hochzeit" mit ihren vier Hauptbestandteilen – Fechtschule, nächtliches Lagertreiben, Hochzeitszug, Turnier – innerhalb inflationärer vorgeblicher Mittelalterevents als besonders authentisch zu gelten.

2017 wurde sie in das Bayerische Landesverzeichnis des immateriellen Kulturerbes aufgenommen. Rund 600.000 Besucher wurden im selben Jahr auf den vom Verein organisierten Veranstaltungen gezählt.

Forschungslage

Dringendes Desiderat ist eine moderne Edition des urkundlichen Materials sowie des Rechnungsschrifttums. Die Quellen eröffnen eine Vielzahl neuer Fragestellungen der Landesgeschichte wie allgemeinen Mediävistik: zum Problemfeld der herzoglichen Regierung, von der Rechts- bis hin zur Kultur- und Sozialgeschichte. Gerade eingehendere kommunikationshistorische Arbeiten, etwa zur vestimentären (auf die Kleidung bezogenen) Symbolik, erscheinen bei einem durch Zeicheninflation und -redundanz geprägten Ereignis als lohnenswert. Nicht zuletzt können weitere vergleichende Arbeiten helfen, das Profil bzw. die Profile der Fürstenhochzeiten des Spätmittelalters zu schärfen.

Literatur

  • Thomas Alexander Bauer, Die Darstellung der Landshuter Fürstenhochzeit von 1475 und des Landshuter Erbfolgekriegs (1504–1505) in zeitgenössischen Quellentexten, in: Gerhard Wolf/Norbert H. Ott (Hg.), Handbuch Chroniken des Mittelalters, Berlin/Boston 2016, 483–518.
  • Werner Gamerith/Karin Wolfer/Florian Stelzer, Zwischen Relikt, Restauration und Re-Inszenierung. Landshut, das Spätmittelalter und die "Landshuter Hochzeit", in: Werner Gamerith/Dieter Anhuf/Ernst Struck (Hg.), Passau und seine Nachbarregionen. Orte, Ereignisse, Verbindungen. Ein geographischer Wegweiser, Regensburg 2013, 394–407.
  • Irmengard Hahn (Hg.), in eren liebt sie. Die Landshuter Hochzeit 1903–2005. Annäherungen an das Jahr 1475 (Schriften aus den Museen der Stadt Landshut 20), Landshut 2005.
  • Sebastian Hiereth, Herzog Georgs Hochzeit zu Landshut im Jahr 1475, Landshut o. J. [4. Auflage 1988].
  • Landshut 1475–1975. Ein Symposion über Bayern, Polen und Europa im Spätmittelalter (Österreichische Osthefte 18), Wien 1976.
  • Franz Machilek, Nürnberg und die Landshuter Fürstenhochzeit des Jahres 1475, in: Uwe Bestmann/Franz Irsigler/Jürgen Schneider (Hg.), Hochfinanz, Wirtschaftsräume, Innovationen. Festschrift für Wolfgang von Stromer. 2. Band, Trier 1987, 640–677.
  • Franz Niehoff (Hg.), Ritterwelten im Spätmittelalter. Höfisch-ritterliche Kultur der Reichen Herzöge von Bayern-Landshut (Schriften aus den Museen der Stadt Landshut 29), Landshut 2009.
  • Franz Niehoff (Hg.), Landshuter Hochzeit seit 1475 (Schriften aus den Museen der Stadt Landshut 32), Landshut 2013.
  • Franz Niehoff (Hg.), Das Goldene Jahrhundert der Reichen Herzöge (Schriften aus den Museen der Stadt Landshut 34), Landshut 2014.
  • Christof Paulus, Bayern und Europa heiraten. Hochzeitsmuster im Spätmittelalter, in: Alois Schmid/Hermann Rumschöttel (Hg.), Wittelsbacher-Studien. Festgabe für Herzog Franz von Bayern zum 80. Geburtstag (Schriftenreihe zur bayerischen Landesgeschichte 166), München 2013, 269–292.
  • Karl-Heinz Spiess, Fremdheit und Integration der ausländischen Ehefrau und ihres Gefolges bei internationalen Fürstenheiraten, in: Thomas Zotz (Hg.), Fürstenhöfe und ihre Außenwelt. Aspekte gesellschaftlicher und kultureller Identität im deutschen Spätmittelalter (Identitäten und Alteritäten 16), Würzburg 2004, 267–290.
  • Karl-Heinz Spiess, Europa heiratet. Kommunikation und Kulturtransfer im Kontext europäischer Königsheiraten des Spätmittelalters, in: Christian Hesse/Peter Moraw/Rainer C. Schwinges (Hg.), Europa im späten Mittelalter. Politik, Gesellschaft, Kultur (Historische Zeitschrift, Beiheft 40), München 2006, 435–464.
  • Uwe Tresp, Eine "famose und grenzenlos mächtige Generation". Dynastie und Heiratspolitik der Jagiellonen im 15. und zu Beginn des 16. Jahrhunderts, in: Jahrbuch für europäische Geschichte 8 (2007), 3–28.
  • Tobias Weger, "Eine Stadt spielt Mittelalter". Die "Landshuter Hochzeit", in: Marco Bogade (Hg.), Stadtkultur des späten Mittelalters und der frühen Neuzeit in Ostmitteleuropa und ihre Renaissance im 19. Jahrhundert. In memoriam Andrzej Tomaszewski (1934–2010) (Das gemeinsame Kulturerbe 8), Warschau 2012, 181–200.
  • Walter Ziegler, Europäische Verbindungen der Landshuter Herzöge im 14. und 15. Jahrhundert, in: Franz Niehoff (Hg.), Vor Leinberger. Landshuter Skulptur im Zeitalter der Reichen Herzöge 1393–1503. 1. Band (Schriften aus den Museen der Stadt Landshut 10), Landshut 2001, 26–50.
  • Walter Ziegler, Die Geschichtsschreibung zur Landshuter Hochzeit 1475. Bericht und Überlegungen, in: Alois Schmid/Ludwig Holzfurtner (Hg.), Studien zur bayerischen Landesgeschichtsschreibung in Mittelalter und Neuzeit. Festgabe für Andreas Kraus zum 90. Geburtstag (Zeitschrift für bayerische Landesgeschichte, Beiheft 41), München 2012, 193–243.

Quellen

  • Roman Deutinger/Christof Paulus (Bearb.), Das Reich zu Gast in Landshut. Die erzählenden Quellen zur Fürstenhochzeit des Jahres 1475, Ostfildern 2017.
  • Roman Deutinger/Christof Paulus (Bearb.), Von Landshut nach Limburg – ein neuer Augenzeugenbericht zur Fürstenhochzeit von 1475, in: Verhandlungen des historischen Vereins für Niederbayern 141 (2015), 5–38.
  • Erich Stahleder (Bearb.), Die Landshuter Hochzeit von 1475 nach dem wiederentdeckten Bericht des „Markgrafenschreibers“, in: Hans Bleibrunner (Hg.), Beiträge zur Heimatkunde von Niederbayern, Bd. 3, Landshut/Passau 1976, 144–171.
  • Gerhard Tausche (Bearb.), 1475. Die Landshuter Fürstenhochzeit (Bayerische Geschichte in Dokumenten), Braunschweig o. J. [2007].
  • Edita Turkowska u. a. (Bearb.), Joannis Dlugossii Annales seu cronicae incliti regni Poloniae. Liber duodecimus 1462–1480, Warschau 2005.

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Empfohlene Zitierweise

Christof Paulus, Landshuter Hochzeit, 1475, publiziert am 9.10.2017; in: Historisches Lexikon Bayerns, URL: https://www.historisches-lexikon-bayerns.de/Lexikon/Landshuter_Hochzeit,_1475 (28.03.2024)